Die Interview-Konfrontation

Kroos könnte noch größer sein

von Redaktion

GÜNTER KLEIN

Über den Sinn von Interviews auf dem Spielfeld lässt sich eigentlich nicht einmal streiten. Diese Kurzgespräche zwischen kühlem Reporter und heißgelaufenem Spieler erfahren bei Fußballkonsumenten breite Ablehnung. Dass es sie dennoch gibt, hat weniger mit der nostalgischen Erinnerung an die seltenen Sternstunden (Rolf Töpperwien mit Schalkes jungem Pokalhelden Olaf Thon inmitten einer Menschentraube) zu tun als vielmehr der Verlockung, die emotionale Begegnung „on the pitch“ als einen Baustein des Medienpakets zu verkaufen. Der Erstverwerter darf näher ran und mehr fragen als der Zweitverwerter.

Doch was soll man fragen, wenn man frageberechtigt ist? Etwas zur Befindlichkeit des Spielers? Ja, auch das, aber das „Wie fühlen Sie sich?“ ist das schlimmste Klischee. Dann lieber etwas zum Spiel, also Fußballfachliches? Das würden die meisten Beteiligten unterschreiben – allerdings gibt es Momente, in denen das, was 90 Minuten war, keine Bedeutung mehr hat, weil das Erreichte alles überstrahlt. In diesem Zwiespalt kam es am Samstag zum Zusammenstoß zwischen Nils Kaben (ZDF-Reporter) und Toni Kroos (glückseliger Real-Madrid-Spieler und Gewinner der Europapokal-Trophäe). Seitdem wird über diese knappe Minute heftiger diskutiert als über alles andere, was das Finale zwischen Liverpool und Real betraf. Mehrheitlich wurde Toni Kroos dafür gefeiert, dass er Kaben auflaufen ließ: „Du hattest 90 Minuten Zeit, dir vernünftige Fragen zu überlegen. Und dann stellst du mir zwei so Scheißfragen.“ Hinterhergeschoben noch ein „Ganz schlimm, ganz schlimm, wirklich“ und dass das typisch deutsch sei. Kroos störte sich an der Frage zur Dominanz Liverpools. Die ihm genehmen Fragen wären gewesen: „Wie geil ist das denn? Schon Kontakt mit der Family gehabt? Was geht heute noch ab?“

Toni Kroos ist ein Weltstar des Fußballs, das hat er am Samstag mal wieder bewiesen. Doch er wirkt mit seiner Karriere nicht ganz im Reinen, er glaubt, in Deutschland sei man ihm mehr Achtung schuldig. Schnell ist er aus nichtigem Anlass eingeschnappt, das war schon öfter so. Tut er nicht alles, um in der Heimat zu punkten? Kinofilm, Stiftungsarbeit, pfiffiger Podcast.

Eben, er könnte noch größer sein. Mit Gelassenheit, mit Selbstironie. Der größte Toni Kroos würde Nils Kaben in seinen nächste Podcast-Folge einladen und ihm einfach mal die richtigen Fragen stellen.

Guenter.Klein@ovb.net

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