München – Joachim Löw saß auf dem Podium der Münchner Allianz Arena, das war im August 2018, der Bundestrainer tat öffentlich Buße für die WM in Russland. Seine Fehleinschätzungen internationaler Entwicklungen seien „fast schon arrogant“ gewesen, geißelte er sich – und versprach: Ab nun würde alles besser. Und moderierte den nächsten Tagesordnungspunkt: Alles auf Null in diesem wunderbaren neuen Wettbewerb mit einem Knaller zum Start: 6. September, Deutschland – Frankreich, Weltmeister 2014 gegen den Weltmeister von 2018.
2018/19: Eigentlich abgestiegen
Ach ja, Nations League, diese Erfindung von Michel Platini, die alle schon wieder vergessen hatten, weil der Franzose wegen krummer Beratungsgeschäfte als UEFA-Präsident entmachtet worden war. Aber dieses Liga-Ding hatte er hinterlassen. Löw schien es nicht in die Lebensplanung zu passen, dass gleich wieder Wettkampfpartien anstanden und nicht ein paar belanglose Freundschaftsspiele, doch er schloss sich der Argumentation der UEFA an: „Man trifft auf hochwertige Gegner.“ Nämlich: Frankreich, Niederlande – das war die deutsche Gruppe.
Es ging nicht schlecht los: 0:0 gegen Frankreich, viel Aufmerksamkeit auf defensive Stabilität, Stadion ausverkauft, Zuschauer wieder gewogen, Leroy Sané (WM-Nominierungsopfer) begnadigt. Doch schon im Oktober herrschte wieder WM-Tristesse: 0:3 bei den Holländern. Drei Tage später in Paris baute Löw um: Dreier- statt Viererkette, Boateng und Müller raus, vorne seine Mopeds (Sané, Timo Werner, Serge Gnabry). 1:2-Niederlage, aber Lob fürs Spiel. In der letzten Partie in Gelsenkirchen gegen die Niederlande versemmelt die deutsche Elf eine 2:0-Führung. 2:2. Mit zwei Punkten aus vier Spielen ist sie Gruppenletzter und Absteiger in die Division B der Nations League. Bei Löw blättert weiter der Lack. Nach dreimonatigem Nachdenken reist er nach München und beendet die DFB-Karrieren von Müller, Hummels, Boateng.
2020: Geisterspiele und das 0:6 in Sevilla
Deutschland blieb in der höchsten Klasse der Nations League, sie wurde einfach aufgestockt. Im Frühjahr 2020 sollte es losgehen – doch es kam Corona dazwischen, auch die EM fiel flach. Die UEFA packte acht Spieltage in zehn Wochen, die Vereine schäumten. In Deutschland (Stuttgart, Köln, Leipzig) gab es Geisterspiele, Leben im Stadion herrschte nur in Kiew: Vor 17 000 Zuschauern gewann Joachim Löws Mannschaft 2:1. Auch das Rückspiel gegen die Ukraine wurde gewonnen, 3:1, wobei die halbe Mannschaft des Gegners mit Covid infiziert in Hotelquarantäne saß. Erst Stunden vor Anpfiff erteilte das Leipziger Gesundheitsamt die Freigabe für das Spiel.
Die deutschen Ergebnisse waren zwischen akzeptabel (1:1 gegen Spanien und in der Schweiz) und wild (3:3 daheim gegen die Schweiz), zum abschließenden Spiel gegen Spanien reiste man mit der Aussicht nach Sevilla, mit drei Punkten die Vorrunde zu gewinnen und sich fürs Final Four qualifizieren zu können. Ergebnis: Die Mannschaft wurde zerlegt, 0:6. Es gab beim DFB Krisensitzungen wegen Löw. Er blieb noch.
2022: Von der Liga zur Turniersimulation
Löws Nachfolger Hansi Flick umarmt die Nations League wie einen lieben Freund. Die ersten vier der sechs Spiele (zweimal Italien, Ungarn, England) stimmen auf die WM ein, wie vor einem Turnier wurde eine Regenerationswoche abgehalten, seit gestern ist in Herzogenaurach Trainingslager. DFB-Direktor Oliver Bierhoff sagt: „Unter Hansi ist einiges anders geworden. Er kann die Leute für sich gewinnen und begeistern.“
Vielleicht sogar für die Nations League. Ihr Finalturnier wäre 2023. Nach der WM, vor der EM.