Und jetzt in den Turbogang

von Redaktion

Auftakt der Nations League in Italien – die ersten große Gegner in Flicks DFB-Ära warten

VON GÜNTER KLEIN

Herzogenaurach – Wie im Juni 2021 hat die deutsche Fußball-Nationalmannschaft wieder den „Homeground“ auf dem Gelände ihres Sponsors adidas bezogen. Damals bereitete sie sich auf die Spiele der Europameisterschaft vor, nun wird sie zu vier Spielen der Nations League in Bologna, München, Budapest und Mönchengladbach ausschwärmen. Die Parallelen in der Logistik sind unübersehbar, doch die Unterschiede spürbar. In der nahen Altstadt von Herzogenaurach nisten weitaus weniger Störche, ihr Klappern ist sehr viel verhaltener – und rund um die Firmenzentrale herrscht ländliche Ruhe. 2021 war das hier ein Ausflugsziel für das Schland-Publikum, das schauen wollte, ob es vor Ort wirklich so ist wie im Fernsehen, 2022 steht der ewige Uli Köhler alleine vor dem Eingang zum Campus; niemand stört ihn, wenn er die Neuigkeiten des Tages in die Sky-Kamera vermeldet. Dieser Sommer fühlt sich sehr wenig nach großem, nach internationalem Fußball an.

Es ist ein außergewöhnliches Jahr. Von einer Struktur, wie es noch keines gegeben hat. Weltmeisterschaft erst im Winter und der Sommer bislang frei von der freudigen Erwartung eines Turniers. Doch die Stimmung für die WM muss jetzt, über fünf Monate vor ihrem Anpfiff, geschaffen werden, weil im November keine Zeit für das traditionelle Erwartungs-Vorglühen mit plakativem Nominierungs-Event und intensivem Trainingslager ist.

Die Nationalmannschaft befindet sich eigentlich jetzt schon in der Vorbereitung. „Wir versuchen, dass wir eine Entwicklung nehmen, die dahin führt, wo Deutschland stehen sollte“, sagt Hansi Flick. Aus dem internen Prozess muss nun ein öffentlicher werden: am Samstag (20.45 Uhr/RTL) in Bologna gegen Italien, am Dienstag dann schon in München gegen England. Sechster und Fünfter der Weltrangliste, beide Gegner klar über Deutschland (Platz 12) notiert – jetzt besteht die Chance, die Nationalmannschaft ins Bewusstsein zu rücken.

Bis jetzt hat sie unter neuer Leitung nahezu perfekt performt, doch bis auf die Niederlande (1:1) gab es keinen Gegner aus der Kategorie der großen Nationen. Die Akzeptanz für das DFB-Team, messbar vor allem an den TV-Einschaltquoten, ist seit Hansi Flicks Amtsantritt leicht nach oben gegangen, doch angespielt werden muss nicht nur gegen die in den letzten Joachim-Löw-Jahren angewachsene DFB-Müdigkeit, sondern auch gegen die mit dem nächsten WM-Gastgeber Katar verbundenen Bedenken. Auch die Spieler setzen sich mit der Menschenrechtsproblematik auseinander, die WM ist für sie derzeit kein Event, auf das sie sich uneingeschränkt freuen könnten.

Sie wirken ganz froh, dass Katar noch ein Stück entfernt ist und erst einmal ein unverfänglicher Wettbewerb ansteht: Die Nations League gilt zwar auch in ihrer dritten Austragung nicht als Premium-Veranstaltung wie WM, EM oder auf Vereinswettbewerbe Champions und Europa League. „doch es sind keine Freundschaftsspiele, es sind auch viele Spiele, es geht um etwas – und das finde ich eigentlich cool“, wie Joshua Kimmich es formuliert. Sicher würde man danach „besser wissen, wo wir stehen. Wir sehen diese Spiele als wichtig und interessant an.“

Hansi Flick verspricht zunächst für das Spiel in Bologna „bei wohl 30 Grad die bestmögliche Mannschaft; gerade in der Offensive brauchen wir uns nicht zu verstecken, das ist unsere Message. Unsere Mentalität soll die Fans begeistern.“

Vielleicht ist nächste Woche in Herzogenaurach dann schon mehr los.

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