Boston – Daniel Theis steht mit den Boston Celtics in den NBA-Finals. Unsere Zeitung hat mit Daniel Theis in Boston gesprochen. Über Tradition, über ausgezogene Hosen und über die härtesten Gegenspieler der Liga.
Daniel Theis, vor den Finals konnten Sie es gar nicht fassen, hier zu sein. Hat sich das geändert?
Definitiv. Nach den ersten zwei Spielen hatte ich das realisiert. Wenn man in die Arenen kommt, überall das Finals-Logo sieht, ist einem klar, dass man hier ist.
Die Finalspiele mit all dem Medienrummel: Ist das Stress, ist das Spaß?
Ich genieße das mehr als alles andere. Es ist nicht garantiert, dass man die Chance hat, in den NBA-Finals zu spielen. Ich habe die Saison in Houston angefangen, da hätte ich nicht davon träumen können. Man weiß es nicht, ob es eine einmalige Chance im Leben ist. Vielleicht hat man das Glück wie Golden State, eine Ära zu prägen und immer wieder mal da zu sein. Aber definitiv geht’s darum, den Moment zu genießen.
Die Statistik in diesen Playoffs sagt: Auswärts gewinnen die Celtics kurioserweise öfter als daheim. Am Freitag spielen Sie wieder im TD Garden. Was ist mit dem Heimvorteil passiert?
Daheim im Garden ist das trotzdem Heimvorteil. Es wird unglaublich. Es wird so laut sein, wie es noch keiner von uns erlebt hat. Die Finals nach zwölf Jahren wieder hier zu haben. Es wird etwas, das jedem, der dabei ist, in Erinnerung bleiben wird.
Wird die Vorbereitung angenehmer, wenn du im eigenen Bett schlafen kannst?
Ich bin froh, wenn ich in meinem eigenen Bett schlafen kann. Vor allem nach dem Trade war ich lange im Hotel. Ich bin froh, zu Hause zu sein mit meiner Frau den und den Kindern und weitere Energie zu schöpfen.
Wie sieht es mit familiärer Unterstützung aus der Heimat aus? Sind Freunde und Familie hier?
Ich hatte Familie da, meine Schwester und meine Nichten, jetzt sind sie wieder zurück. Es ist natürlich schwierig, wenn alle arbeiten.
Wie oft in den Finals schwanken die Leistungen von Spiel zu Spiel oft deutlich. Was sind denn nun die wahren Celtics?
Für uns geht es darum: Wir dürfen keine Turnover (Ballverluste/Anm. d. Red.) haben, vor allem nicht so viele. Sonst ist es zu einfach, für die Warriors zu scoren. Das Team ist viel zu schnell. Für uns geht es darum, gute Würfe zu kreieren und auf den Ball aufzupassen.
In der Verteidigung tauschen die Celtics ständig ihre Gegenspieler. Auch Sie müssen als Center ab und an gegen Stephen Curry spielen, der die Serie bisher dominiert. Wie geht es Ihnen dabei?
Klar ist es ein bisschen anders. Wir hatten davor viele Spieler, die mehr zum Korb gehen und körperlich anders spielen als Steph Curry: Giannis Antetokounmpo, Bam Adebayo oder Jimmy Butler. Steph kreiert sehr mit seinem Wurf, findet die Mitspieler, wenn er zum Korb geht. Für uns geht es darum, dass jeder seinen eigenen Stolz nimmt und ihn verteidigt. Dass es jeder persönlich nimmt und nicht einfach sagt: Jetzt bin ich dran, jetzt hab’ ich Angst, weil er seine Dreier wirft. Wir müssen es so gut machen, wie es geht, und dürfen uns nicht über die Dreier ärgern, die er von der Mittellinie trifft. Da kannst du nicht viel machen.
Wer war für Sie persönlich der anspruchsvollste Gegenspieler?
Das sind komplett unterschiedliche Typen. Steph ist eher der geskillte, der probiert, den Platz für seinen Wurf zu kreieren. Giannis will körperlich durch dich durch gehen. Die ganze Playoffs sind eine Herausforderung für alles und jeden. Auf der anderen Seite macht es Spaß, genau diese Spieler zu verteidigen.
Zuletzt wurde die Atmosphäre deutlich rauer. Draymond Green hat Ihrem Kollegen fast die Hose ausgezogen. Wie gehen Sie damit um?
Ich denke, dass er aus der Halle und den Fans seine Energie zieht. Wir dürfen uns nicht darauf einlassen. In Spiel zwei war das sein Ziel, irgendwelche Sachen anzufangen und uns rauszunehmen. Das hat er geschafft. Wir wissen, dass er darauf achtet, jemanden aus dem Spiel zu nehmen. Wir dürfen uns nicht darauf einlassen und ihn einfach machen lassen.
Sie sind ein eher ruhiger Typ, schreiten Sie ein?
Bevor unsere Leute wie Marcus Smart, Jayson Tatum oder Jaylen Brown (die Stars/Red.) ein Technisches Foul kriegen, würde ich mir eines abholen, wenn wir in die Gefahr kommen. Ich hatte schon einige.
Beide Mannschaften haben die Bühne auch für politische Botschaften genutzt, einmal gegen Waffengewalt im Land und einmal für die WNBA-Spielerin Brittney Griner, die in Russland festgehalten wird.
Wir haben eine Plattform, vor allem in den Finals, wo Medien auf uns schauen. Wir Spieler und Teams können Momente nutzen, um auf solche Themen weiter aufmerksam zu machen. Brittney Griner ist seit Monaten in Russland gefangen. Oder auch das Thema Waffengewalt. Wir tragen Shirts, um aufmerksam zu machen, damit das nicht Themen sind, die nach, zwei, drei Wochen einfach vergessen werden.
Ein Blick nach oben in die Arena, dort hängen 17 Banner. Was gibt Ihnen das?
Die Celtics haben eine unglaubliche Geschichte. Wir wollen unsere eigene dazu beitragen. Wir wollen das Team sein, das Banner 18 da hoch hängt.
Interview: Andreas Mayr