München – Der Formel 1 stehen zwei Vollgaswochen bevor. Mit dem Großen Preis von Aserbaidschan und Kanada folgen zwei Rennen in Folge, die besonders für die Logistiker der zehn Teams wegen der großen Entfernung zwischen Baku und Montreal zur extremen Herausforderung werden. Aber das Auge der Öffentlichkeit richtet sich natürlich auf die sportlichen Ereignisse. Fest steht: Der Kampf zwischen Red Bull und Ferrari wird in den Saisonrennen acht und neun schärfer denn je. Wir beantworten die vier wichtigsten Fragen, die im Vorfeld der WM-Läufe in Baku und Montreal gestellt werden müssen.
Wie geht der Zweikampf zwischen Red Bull und Ferrari weiter?
Nach dem Sieg von Red-Bull-Pilot Sergio Perez (32) in Monaco ist aus dem Zweikampf zwischen Red-Bull-Titelverteidiger Max Verstappen (24) und Ferrari-Herausforderer Charles Leclerc (24) ein Dreikampf geworden. Der Mexikaner Perez hat nur noch 15 Punkte Rückstand auf WM-Anführer Verstappen (125 Punkte). Leclerc, der in den ersten Saisonrennen der dominierende Fahrer war, liegt dazwischen auf Platz zwei der Fahrerwertung mit neun Zählern weniger auf dem Konto als der Niederländer. Leclercs Teamkollege Carlos Sainz (27) hat mit 87 Punkten schon ein wenig den Anschluss an das Führungstrio verloren. Der Spanier muss in beiden Rennen unbedingt aufholen, sonst wird Ferrari bald zur Stallorder zu Gunsten von Leclerc greifen.
Allein: Die Stärke von Perez könnte zum Vorteil von Leclerc werden. Denn: Perez, dessen Vertrag gerade um zwei Jahre verlängert wurde, genießt freie Fahrt. Da kann es leicht passieren, dass sich beide Red-Bull-Piloten gegenseitig Punkte wegnehmen. Red-Bull-Chefberater Helmut Marko (79) sieht es so: „Dieses Luxusproblem haben wir uns seit Jahren gewünscht. Beide Piloten sind siegfähig, das ist doch genau das, wie es sein muss. Es gibt keine Stallorder, wir werden Rennen für Rennen entscheiden, wer welche Strategie fährt.“ Marko weiter: „Perez kommt mit dem Auto im Moment besser klar als Verstappen, der noch nicht ganz das Vertrauen gefunden hat. Aber wir arbeiten weiter hart daran. Interne Probleme sehe ich nicht. Die beiden verstehen sich sehr gut.“
Sky-Experte Ralf Schumacher (45) ergänzt: „Grundsätzlich hat Ferrari ein Auto, das leichter abzustimmen ist, besonders in Bezug auf optimale Reifentemperatur. Red Bull gewann trotzdem die letzten vier Rennen. Das muss sich Ferrari ankreiden lassen. Entweder machten die Piloten Fehler – oder das Team. Das muss Ferrari ändern. “
Kann Lewis Hamilton endlich gegen den Teamkollegen George Russell zurückschlagen?
Ungewohnte Situation für Superstar Lewis Hamilton (36): Nach sieben Saisonrennen liegt er nur an siebter Stelle der WM-Wertung und kann sich kaum noch Hoffnungen auf seinen achten Weltmeistertitel machen. Und was die Sache noch bitterer macht: Sein junger Mercedes-Teamkollege George Russell (24) ist Vierter im Fahrerranking, hat 34 Punkte mehr eingefahren. Sechsmal kam Russell dabei vor Hamilton ins Ziel. Fazit: Der junge Brite kommt mit dem nervösen Fahrverhalten des Mercedes besser klar als sein Landsmann und ist deshalb schneller. Ralf Schumacher analysiert: „Da es nicht um die WM geht, stört es Lewis sicher nicht so extrem, dass Russell schneller ist. Würden die beiden um den Titel fahren, sähe das anders aus. Aber ich bin sicher, dass es im Innern von Lewis rumort. Denn er ist nicht gewohnt, dass ein Teamkollege konstant schneller ist. Und dann noch einer aus dem eigenen Land! Er wird jetzt alles dafür tun, um das Kräfteverhältnis wieder umzudrehen.“
Ex-Formel-1-Pilot Marc Surer glaubt: „Russell ist risikobereiter, das macht sich dann in Rundenzeit bemerkbar. Lewis ist aktuell noch risikoscheuer, weil es im Moment noch nicht um Siege für ihn geht. Wenn Mercedes aber wieder auf Augenhöhe mit Red Bull und Ferrari ist, werden wir wieder den alten Lewis sehen. Und seit Barcelona haben sie das Rüstzeug dafür gefunden, weil sie jetzt wissen, wie sie mit dem Hauptproblem, dem Hüpfen der Autos, umgehen müssen. Im Prinzip hat ihre Saison erst jetzt begonnen.“ Fest steht: Das teaminterne Duell zwischen „König“ Hamilton und seinem „Kronprinzen“ Russell wird der zukünftigen Saison weiterhin viel Spannung garantieren.
Wie geht es mit Sebastian Vettel weiter?
Rein sportlich findet der viermalige Weltmeister (34) langsam wieder in die Spur. Bei den witterungsbedingt extrem schwierigen Rennen in Imola und Monte Carlo fuhr Vettel in die Punkte und bewies, dass er als Fahrer immer Topleistung bringen kann. In Monaco wurde er sogar unter Wert geschlagen, weil er im Rennen Pech hatte und im Verkehr stecken blieb. Sonst wäre noch mehr drin gewesen mit der B-Version des Aston Martin, der im Prinzip ein komplett neues Auto ist, das die Techniker nun immer besser verstehen. Jetzt kommt das Rennen in Baku – und die Erwartungshaltungen sind groß, denn im Vorjahr wurde der Heppenheimer auf dem zum Teil ultraschnellen Stadtkurs Zweiter.
Doch die Zukunft in der Königsklasse ist für den Hessen immer noch ungewiss. Sein Vertrag läuft aus – und es bestehen Zweifel, dass er seine Karriere fortsetzen wird. Zu groß erscheinen Vettel-Insidern die moralischen Bedenken, die er bei einer Fortsetzung der Karriere haben wird. Rallye-Legende Walter Röhrl (75), das Idol des Heppenheimers, bringt es in einem Interview mit der „Welt“ auf den Punkt. „Ich mag ihn und hoffe aus meinem Blickwinkel nicht, dass er sich von Autobahnbrücken abseilt, wie das bei Greenpeace immer wieder gemacht wird, um den öffentlichen Verkehr lahmzulegen,“ redet Röhrl Klartext. Der Bayer, der Vettel gut kennt, rät ihm, den Helm an den Nagel zu hängen: „Wenn ich mich nach 15 Jahren im Motorsport besinne und jetzt der Meinung bin, dass ich ein Umweltsünder bin, dann muss ich aufhören, basta!“
Unsere Zeitung weiß: Bis Mitte Juli will Vettel über seine Zukunft entscheiden. Es ist wahrscheinlich, dass er Röhrls Rat befolgt und sich deshalb gerade auf seiner Abschiedstournee befindet.
Kriegt Mick Schumacher noch die Kurve?
Der 23-jährige Sohn des Rekordweltmeisters erlebt gerade die härteste Zeit seiner noch jungen Karriere. Schlimm genug, dass er nach 28 Formel-1-Rennen im Gegensatz zu seinem Teamkollegen Kevin Magnussen (15 Zähler) immer noch ohne WM-Punkte dasteht. Was sein Teamchef Günther Steiner seinem Fahrer aber noch mehr übel nimmt: Dass Schumacher junior zu viele Unfälle baut. Sein letzter Crash beim GP von Monaco war schon das zweite Auto in dieser Saison, das er quasi in die Schrottpresse fuhr. Deshalb stellte Steiner schon die Fahrer-Sinnfrage: „Was Mick betrifft, müssen wir jetzt erst mal sehen, wie es weitergeht.“
Dieser Satz lässt viel Raum zur Interpretation und schließt inhaltlich selbst einen Rauswurf noch in dieser Saison nicht aus. Das wiederum treibt Micks Onkel Ralf Schumacher auf die Palme. Der ehemalige F1-Star und heutige Sky-Experte: „So was sagt man nicht, weil dieser Satz zu viele Spekulationen auslöst. Es ist nicht sehr clever. Vor allen Dingen vergisst Steiner, dass auch sein Team Fehler gemacht hat. Und was einen eventuellen Rausschmiss betrifft: Da hat Ferrari noch ein Wörtchen mitzureden.“ Ralf Schumacher rät in der äußerst schwierigen Situation beiden Parteien: „Mick darf keine Fahrfehler mehr machen. Aber auch Haas muss weiterarbeiten. Haas ist das einzige Team ist, das noch keine Updates gebracht hat. Das muss jetzt dringend passieren.“ Grundsätzlich meint Ralf Schumacher: „Mick hat in seiner Karriere schon Potenzial gezeigt – und ich bin sicher, dass er die Kurve kriegt.“ RALF BACH