Herzogenaurach/München – Oliver Bierhoff spricht, der Direktor Nationalmannschaften im Deutschen Fußball-Bund – das hat dann oft etwas Staatstragendes. So wie im November 2020 in Leipzig, als die DFB-Auswahl sich zwischen den Corona-Wellen zurück ins öffentliche Bewusstsein spielen sollte. „Über unserer Mannschaft“, klagte Bierhoff damals, „hängt eine schwarze Wolke.“ Seine Beschreibung der Schwermut über nachlassendes Interesse, sinkende Fernsehquoten und wohl auch verminderte sportliche Perspektiven hatte Schlagzeilen-Wucht.
Was sieht Oliver Bierhoff heute, wenn er den Blick nach oben richtet? Die fette dunkle Wolke „ist nicht mehr da, aber blau wäre der Himmel, wenn wir in Italien und gegen England 2:0 gewonnen hätten“. Die Realitäten in der Nations League waren zwei 1:1-Unentschieden. „Ein paar Wolken sind also noch am Himmel, sie erinnern uns daran, dass es auch mal regnen kann. Ich hoffe aber, dass es beim Turnier Sonnenschein geben wird.“ Das Turnier ist die WM in Katar.
Bierhoff äußerte sich am Donnerstag zu verschiedenen Themen Richtung Weltmeisterschaft.
Aktueller Leistungsstand der Mannschaft: Die Schlagzeile „Hübsch und gar nicht effektiv“, die in einer überregionalen Tageszeitung zu lesen war, würde er abändern in „Attraktiv und gut, aber noch nicht effektiv genug“. Als ehemaliger Stürmer weiß er: Die Chancenverwertung wird „ein wichtiger Punkt beim Turnier sein. Wir haben es auch 2014 gesehen: Oft hast du nur ein, zwei Chancen.“ Hansi Flicks Team erlebt er als „manchmal zu verspielt“. Die Gesamtwertung ist aber klar positiv: „Obwohl alle gut miteinander auskommen, ist Konkurrenzkampf auf vielen Positionen da.“ Flicks Training sei „abwechslungsreich und detailliert“.
Die Rolle von Manuel Neuer: „Als Torwart in einer Spitzenmannschaft“ wie dem FC Bayern werde Neuer „nicht in jedem Spiel massiv gefordert“, doch gegen England habe er so gehalten, dass man sagen müsse; „Beeindruckend, der Wahnsinn.“ Mit 36 Jahren sei er „der beste Torwart der Welt – und das hört morgen nicht auf“. Bierhoff bewundert, dass Neuer die Qualitäten verschiedener Keeper-Generationen „in sich vereint“ und ein Allround-Paket an Sportlichkeit biete: „Er fährt ja auch Rad und spielt Tennis.“
Zielsetzung in der Nations League: „Wir wollen das Final Four schon erreichen, denn sonst haben wir 2023 nur Freundschaftsspiele.“ In die Qualifikation für die EM 2024 muss Deutschland als Ausrichter nicht. Die Nations League könnte „zwei Wettbewerbsspiele bringen“. Wäre willkommen. Für den Gruppensieg wäre nun mal aber ein Sieg wichtig. „Drei Punkte in Ungarn (Samstag, 20.45 Uhr/RTL) sind unser Anspruch.“ Gestern hatten die Spieler frei.
Fahrplan vor der WM: Die Kader-Nominierung, sonst ein feierlicher und symbolischer Akt, werde wohl nüchtern ausfallen. Noch nicht bestätigt ist, dass das Trainingslager in Dubai stattfinden und ein Testspiel gegen die Vereinigten Arabischen Emirate ausgetragen wird.
Das WM-Quartier: Groß war die Auswahl an Unterkünften durch die FIFA nicht. „40 Hotels für 32 Mannschaften – 2006 in Deutschland waren es 106.“ Das Zulal Wellness Resort sei hochwertig, beste Kategorie, dank des FIFA-Fixpreises erschwinglich. Und: „Die Spieler können sich frei bewegen, an der frischen Luft sein.“ Bei den Stadthotels habe es welche ohne Balkon gegeben, und man hätte sie mit anderen Gästen teilen müssen, was bedeute: „Längere Wege zu unseren Treffpunkten, Handyfotos.“ Im „Zulal“ habe man Ruhe.
Eine eigene DFB-Abteilung fragte bei dem WM-Hotel nach, ob bei der Erbauung die menschen- und arbeitsrechtlichen Standards eingehalten wurden. Nicht dass in Katar im November diese schwarze Wolke über dem deutschen Fußball aufzieht.