Wenn Beziehungen belastet sind

von Redaktion

Nicht mit allen Gegnern kommt Deutschland klar – Ungarn ist ein diplomatischer Problemfall

VON GÜNTER KLEIN

München – Bernd Neuendorf, seit Kurzem Präsident des DFB, findet seine Aufgabe „sehr geil“. Gerade in diesen Tagen mit all den Delegationstreffen in der Nations League. Vor jedem Spiel gibt es ein offizielles Essen, und der bisher im Amateurbereich tätige Neuendorf freute sich, „die Kollegen aus Italien und England kennenzulernen“. Am Samstag steht wieder solch ein Termin an – doch einer, der der deutschen Seite Unbehagen bereitet. In Budapest, Treffen mit ungarischen Funktionären. Deutschland und Ungarn, es ist seit einem Jahr eine belastete Beziehung.

Nicht zwischen den Spielern, die kennen sich aus der Bundesliga. Und es gab auch keine negative Vorgeschichte, im Gegenteil: 2016 war das deutsche Trainerduo Bernd Storck/Andreas Möller in Ungarn noch gefeiert worden, weil es die Nationalmannschaft zur Europameisterschaft nach Frankreich geführt und eine alte Fußballnation wachgeküsst hatte. Doch bei der EM 2021 war es mit der Harmonie vorbei. Das Vorrundenspiel gegen Ungarn in München wurde zur Bühne der Stellungnahme gegen die Politik von Viktor Orban, die Stadt wollte die Arena in den Regenbogenfarben illuminieren (was die UEFA untersagte), Manuel Neuer trug dafür demonstrativ eine bunte Kapitänsbinde am Arm, und Leon Goretzka grüßte die aufgebrachte ungarische Fankurve mit einem Herz der Liebe, nachdem er das 2:2 geschossen hatte. Zuvor hatten die Ungarn Spottlieder gesungen: „Deutschland, Deutschland, homosexuell.“ Die kritische Einstellung zu Fragen der Diversität hat sich bei ihnen seitdem nicht verändert.

Es kommt selten vor, dass der DFB keine guten Beziehungen zu anderen Verbänden und Ländern unterhält. Manchmal gab es schwerwiegende Vorfälle wie das Foul von Toni Schumacher am Franzosen Patrick Battiston, das sich demnächst zum 40. Mal jährt – doch spätestens als die deutsche und französische Mannschaft im November 2015 die Pariser Terrornacht im Stade de France gemeinsam durchstanden, herrscht Freundschaft. Sogar das Verhältnis zu den Niederlanden (1988: Ronald Koeman wischte sich den Hintern mit dem Trikot von Olaf Thon ab, 1990: Frank Rijkaard spuckt Rudi Völler ins Haar) ist längst wieder entspannt.

Problematisch ist das mit den Argentiniern. Nach dem im Elfmeterschießen zu Gunsten der Deutschen entschiedenen WM-Viertelfinale 2006 kam es zu einem von den Südamerikanern ausgelösten Handgemenge. Vier Jahre später bei der WM in Südafrika sprach Bastian Schweinsteiger vor dem neuerlichen Treffen den Argentiniern jegliche charakterliche Eignung ab, „sobald sie einen Fußballplatz betreten“. Sie würden dann nur noch tricksen und schauspielern. Die Vorwürfe kamen nicht gut an. 2014 war Deutschland – Argentinien dann das hart geführte Finale, das (inklusive WM 1990) den vierten deutschen Sieg in Serie brachte.

Ganz schlechte Reputation genießt der DFB in Algerien, das 1982 als Folge des deutsch-österreichischen Nichtangriffspakts aus der WM flog. Vor dem WM-Achtelfinale 2014 wurde in Algerien die Geschichte wieder hervorgekramt und als Motivation benutzt. Es gab zwischen den Verbänden nur ein Freundschaftsspiel – 1964.

Ein kleiner „Feind“ ist San Marino. Der Pressesprecher des dortigen Verbands arbeitete sich 2016 mit einem offenen Brief an Thomas Müller ab („hochnäsig“), weil der die unorthodoxe Spielweise der Amateure kritisierte. Beim nachfolgenden deutschen Spiel in Mailand gegen Italien wurde Müller vom Publikum durchgehend ausgepfiffen. Passierte ihm sonst nie.

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