Mit Unbehagen gegen Ungarn

von Redaktion

Hansi Flick spricht von „ganz großer Aufgabe“ – Keine politischen Aktionen

VON GÜNTER KLEIN

Herzogenaurach/München – Ja, Hansi Flick findet auch: Es ist zu viel: Vier Spiele Nations League im Juni, gepresst in einen Zeitrahmen von zehn Tagen. Er spürt die Müdigkeit in seinem 25-köpfigen Kader und auch bei den Gegnern. Und er sagt, man müsse in der Bewertung „zwei Jahre zusammenpacken, wir hatten eine Pandemie“. Der deutsche Bundestrainer wünscht sich, „dass die Experten in der UEFA und FIFA sich des Themas annehmen und den Kalender hinterfragen. Den Spielern eine Pause zu gönnen“, glaubt er, „ist enorm wichtig“.

Doch auch er kann nicht raus aus seiner Rolle in diesem gewaltigen Business. Er muss Ergebnisse liefern. Thomas Müller, Flicks Führungsspieler, spricht davon, „dass es notwendig ist, die angepeilten sechs Punkte zu holen“. Und so gilt zumindest mal für das dritte Gruppenspiel am Samstag (20.45 Uhr/RTL), dass Hansi Flick nicht die Rotationsmaschine anwerfen und Einsatzzeiten verschenken, sondern die Elf auf den Platz schicken wird, der er am ehesten zutraut, dass sie in Ungarn gewinnt. Denn es ist für ihn „nach England das schwerste Spiel. Es wird eine ganz große Aufgabe für uns.“

Die Einschätzung überrascht ein wenig, weil Flick Ungarn, den 40. der Weltrangliste, über Italien, die aktuelle Nummer 6 (aber im personellen Neuaufbau befindlich), stellt. Er hat versucht, die Aussage wieder einzufangen: „Wie Ranglisten entstehen, weiß ich nicht so genau, und sie interessieren mich auch nicht.“ Ungarn besiegte England 1:0, verlor in Italien 0:2. Was Flick sagen will: Die Analyse, die er mit seinem Trainerteam tätigte, hat Ergebnisse hervorgebracht, die ihn beeindrucken. „Ungarn ist eine Mannschaft, die einem kaum Räume gibt, kaum etwas zulässt, die weiß, wie man dem Gegner das Leben schwer macht und die gute Fußballer in ihren Reihen hat.“ Für die Struktur sorgt der italienische Trainer Marco Rossi.

Was auch ein Punkt sein wird: Heimvorteil Ungarn. In Budapest wird die Partie in der Nations League als Rückspiel zum EM-Match in München vor einem Jahr gesehen werden, das (gesellschafts)politisch aufgeladen war und in der Herz-Geste von Leon Goretzka, gerichtet an den ungarischen „schwarzen Block“ mit seinen homophoben Parolen, gipfelte. Vor allem Goretzka wird sich auf Gehässigkeiten gefasst machen müssen, deswegen auf ihn zu verzichten, ist für Flick aber „null Thema. Jeder Einzelne bei uns hat so viele Spiele gemacht, in denen die Stimmung aufgeheizt war. Das muss man aushalten.“ Klar nehme man eine Grundhaltung im Publikum wahr, „doch wenn der Schiedsrichter anpfeift, ist das eine Nebensächlichkeit“.

Eine besondere Aktion wie 2021 mit der Symbolik des Regenbogens ist von deutscher Seite aus in der Ferenc-Puskas-Arena nicht geplant. Es mag inkonsequent erscheinen, dass die DFB-Elf am Dienstag vor eigenem Publikum zusammen mit der englischen Mannschaft als Zeichen gegen Rassismus kurz auf die Knie geht, aber in Budapest (wo die Engländer vergangenen Samstag dafür ausgepfiffen wurden) stehen bleibt. Thomas Müller erläutert: „Den Kniefall haben die Engländer für sich etabliert. Wir haben mitgemacht, weil wir es gut finden, haben aber keine pauschale Aktion, die wir jedes Mal machen. Wir wollen es nicht inflationär wirken lassen.“

Im vorletzten Akt der Saison gilt: Konzentration auf den „Job, den wir erledigen müssen“ (Müller). Wie gesagt: „Die Spiele jetzt sind kein Wunschtraum, aber sie müssen irgendwann realisiert werden. Mit sechs Punkten würde ich zufriedener in den Urlaub fahren.“

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