Budapest – Fünf Monate sind es nur noch, bis sich die deutsche Nationalmannschaft an den Persischen Golf begibt. Es ist nicht mehr lang hin bis zur Winter-Weltmeisterschaft in Katar. Ein gewisser Zeitdruck herrscht also vor. Das weiß der Bundestrainer. Deswegen schlug Hansi Flick (57) nach dem trostlosen 1:1 in der Nations League gegen Ungarn alarmierende Töne an: „Vom Ergebnis her und von der Art und Weise, wie wir das Spiel angegangen sind, war es für uns ein Rückschritt.“ Dabei hatte man sich beim DFB doch so sehr einen fußballerischen Fortschritt unter Flick gewünscht.
Was hatte Flick die Massen nicht mit seinem offensiv-kompromisslosen Fußball begeistert, den er beim FC Bayern spielen ließ und mit dem er 2020 das Triple abräumte. Doch bei der Nationalmannschaft steht er mittlerweile vor den gleichen Problemen wie Joachim Löw in seinen Abschlussjahren: Eine klare Spielkultur ist nicht zu erkennen, vorne fehlt der Torjäger, hinten wackelt die Abwehr bedenklich. Flick läuft die Zeit davon, aus seiner Horde Hochbegabter um Kai Havertz (23), Serge Gnabry (26) und Jamal Musiala (19). eine Furcht einflößende Mannschaft zu formen, die zielorientiert Fußball spielt. Oder wie es der Bundestrainer formulierte: „Es ist auffällig, dass bei uns komplett in der Mannschaft die Überzeugung fehlt.“
Das Remis in Budapest war das vierte 1:1 in Folge. Einziger Torschütze war, wie schon gegen England, der Gladbacher Jonas Hofmann (34). Mit seinem Treffer in der 9. Minute egalisierte er den 0:1-Rückstand durch Zsolt Nagy nach 360 Sekunden. Die Abwehr wirkte nicht nur beim Gegentor überrumpelt. Allerdings bekam Abwehrchef Antonio Rüdiger (29) gegen Ungarn eine Pause und wurde als kompromissloser Abräumer und Chef in der Kommandozentrale vermisst. Das Duo Niklas Süle (26) und Nico Schlotterbeck (22) hat sich in dieser Kombination nicht für höhere Aufgaben qualifiziert. „Wenn ein Torwart herausragend ist, stimmt ein bisschen was im Spiel nicht. Manu ist ein absoluter Weltklasse-Torhüter. Er hat uns heute diesen Punkt gerettet“, bedankte sich Flick bei Manuel Neuer (36), der zu einigen Paraden gezwungen war und den Punkt in Budapest dadurch festhielt. Der Bundestrainer kritisierte, dass „wir in der Defensive schon das eine oder andere zugelassen haben, was einfach nicht sein darf“.
Nicht nur defensiv, sondern auch offensiv blieb Deutschland weit unter seinen Möglichkeiten. Das fiel auch Mittelfeldspieler Leon Goretzka (27) auf: „Wir müssen diese Geilheit haben, Tore zu schießen, das ist am Ende des Tages das Schönste im Fußball.“ Eine Botschaft an Torschütze Hofmann? Der hatte die große Chance zum 2:1-Siegtreffer. Doch statt selbst den Abschluss zu suchen, spielte er alleine vor Torwart Peter Gulacsi quer zum mitgelaufenen Timo Werner (26). Der Pass kam nicht an, die Chance verpuffte. Hofmann haderte mit sich: „Das verpasste 2:1 nehme ich auf meine Kappe. Am Ende muss ich ihn nur lang reinschieben. Ich bin schon sehr enttäuscht, vor allem aufgrund dieser einen Aktion.“
Sichtlich enttäuscht war auch Kapitän Neuer, als er nach der Partie in den Katakomben der Puskas-Arena Rede und Antwort stand. Trotzdem bat er um Zeit: „Wir haben immer gesagt, dass wir in einer Entwicklung stehen und den Prozess im Hinblick auf die Weltmeisterschaft weiter durchziehen wollen. Daran arbeiten wir. Man sieht, dass wir noch nicht so weit sind und daraus lernen müssen.“
Ähnliche Worte schlug auch Bundestrainer Hansi Flick an: „Wir sind in einem Entwicklungsprozess. Wir müssen schauen, dass wir aus diesem Spiel die Lehren ziehen.“ Das kann die Mannschaft bereits am Dienstag gegen Italien (20.45 Uhr, ZDF) tun.