Auf dem Zahnfleisch

von Redaktion

Nationalteam will nach Remis-Flut gegen Italien endlich wieder siegen

VON GÜNTER KLEIN

Budapest/München – Es ist erst zwei Wochen her, dass es locker-flockig losging mit der Vorbereitung auf vier Spiele Nations League. Der Bundestrainer saß bei der Pressekonferenz in Herzogenaurach auf dem Podium, DFB-Sprecher Uli Voigt bat die Beteiligten, dass sie sich, weil das Fernsehen überträgt, ordentlich mit Namen und Arbeitgeber vorstellen, Hansi Flick sagte: „Hansi Flick, DFB“, und alle lachten. Es müsste doch ein guter Sommer werden, ein Stimmungs-Vorglühen für die in den Winter verlegte WM. Siege gegen Italien, England, Ungarn – warum nicht?

Drei Spiele und drei Unentschieden später wird nicht mehr gewitzelt, die Fragen, als Hansi Flick am Montag wieder Rede und Antwort stand, gehen in Richtung aktueller und grundsätzlicher Schwächen deutscher Nationalspieler. Er korrigiert jetzt öfter: „Sehe ich nicht so“, – „Habe ich einen anderen Eindruck.“ Flick sagt, manches erkläre sich dadurch, dass man „am Ende einer langen Saison steht und die Frische vielleicht nicht mehr so abrufbar ist“. Jedenfalls wird vor dem letzten Spiel 2021/22, am Dienstag (20.45 Uhr/ZDF) gegen Italien in Mönchengladbach klar: Es ist nicht so gelaufen, wie die Deutschen sich das vorstellten. Auf die Schlussetappe gehen sie auf dem Zahnfleisch.

Das Abschlusstraining in Budapest: Keine Drohne, die alles aus der Luft aufgezeichnet hätte, keine Eckball- und Freistoßvarianten, sondern lediglich „Anschwitzen, aufwärmen, im Kreis spielen, Schluss“, so umriss Flick die letzte Einheit. Seine Methode, „damit wir im Spiel die Körner drin haben“. Am Sonntagabend hatte die Mannschaft sich zu einem „Essen auswärts“ begeben, wie Manuel Neuer es formuliert. Klingt, als herrsche eine betriebliche Verstimmung, die einer großen Aussprache bedürfe – so ist es wohl nicht, aber Kapitän Neuer gibt schon zu: „Die Enttäuschung überwiegt.“

Jedoch ist, was man gerade erlebt, auch eine interessante Situation, wie sie in einem Turnier auftreten kann. Die Simulation einer nicht gut laufenden Gruppenphase, in der nun noch ein Spiel ansteht, mit dem man einiges verändern kann. In der Tabelle, in der Selbst- und in der öffentlichen Wahrnehmung. Mit einem Sieg über Spitzenreiter Italien wäre, wenn Ungarn nicht in England gewinnt, Platz eins möglich, „ein Dreier würde uns gut schmecken“, so Manuel Neuer, „weil es schon länger her ist, dass wir sagen konnten: Wir haben einen Großen geschlagen.“ Und gegen Italien gebe es ja die Geschichte, dass man in Pflichtspielen nicht nach 90 Minuten gewonnen hat. „Bei der EM 2016“, erinnert sich Neuer, „war es im Elfmeterschießen.“ Es würde also die Bewertung der DFB-Sommertour zum Guten verändern, wenn der letzte Eindruck ein überzeugender wäre.

Hansi Flick hat es bisher verstanden, eine in seinem Team auftretende Schwäche zu korrigieren, so war das 1:1 gegen England ein viel besseres Spiel als das 1:1 in Italien. Das 1:1 in Ungarn tanzte dann jedoch aus der Reihe. „Ich habe gedacht, dass wir weiter sind“, wirkte Hansi Flick ein wenig erschrocken über den Mangel an Überzeugung und Dynamik.

Der Juni war nicht so, wie der Juni sein sollte – was aber natürlich nicht heißt, dass alles verloren ist. „Wir haben genügend Zeit, uns auf September vorzubereiten“, blickt Flick auf die dann noch zwei verbleibenden Partien Nations League. Die letzte Vor-WM-Etappe für „Hansi Flick, DFB“.

Artikel 1 von 11