Ein Löwe zwischen Fisch-Witte und dem Poseidon am Dreifaltigkeitsplatz – klar, dass die Fans da stehen bleiben und schauen. Die Fragen, die mitschwingen: Ist der TSV 1860 schon wieder so salonfähig, wie sich Michael Köllner auf den exquisiten Plätzen der Münchner Innenstadt bewegt? Und vor allem: Was werden sie im Mai 2023 wert sein, die Selfies, die an diesem Montag, 13. Juni 2022, geschossen wurden?
Es ist ja von Haus aus nichts Neues, dass die Löwen mit großen Erwartungen und noch größerer Begeisterung in eine Saison starten. Nie ist der 1860-Kader besser als in der Sommerpause, nie die Stimmung euphorischer, selten ein Trainer unpopulär gewesen. Und trotzdem: Was sich aktuell rund um den Meister von 1966 ereignet, wirkt belastbarer als in vielen Jahren zuvor. Weil der Chefcoach nicht nur ein Blickfang am Viktualienmarkt ist, sondern auch einer, der anpackt – für den Erfolg.
Nach zwei gescheiterten Anläufen Richtung Aufstieg will Köllner in seinem (vorerst) letzten Vertragsjahr nichts dem Zufall überlassen. Mit der ihm eigenen Art hat er so manchen im Verein aus seinem Dornröschenschlaf gerissen. Bei einem Termin im Landtag Ende Mai, als die ersten Transfers fix waren, drückte er es so aus: „Ich kenne den Verein gut. Wenn man jetzt sagt: Passt alles! Dann ist mein unterschwelliges Bauchgefühl, dass dann alle wieder die Hände in den Schoß legen, sich in den Biergarten setzen und sagen: ‘Mei, ist’s in Minga schön.’ Und dann wird nichts mehr gemacht.“
Aus diesem Grunde hat Köllner lange damit gezögert, sich zu seinem bis 2023 laufenden Vertrag zu bekennen. Und auch wenn es manchen in der Chefetage nervt, dass der Trainer jedes Jahr im Frühsommer seinen Marktwert auslotet: Köllners Rastlosigkeit ist ein Gewinn für die Löwen. Acht Neuzugänge wurden in Rekordzeit dingfest gemacht. Wann hat es das schon mal gegeben in einem Verein, der bis vor Kurzem für das Gegenteil bekannt war? Nämlich für Chaos, für aus der Not geborene Personalentscheidungen und für interne Scharmützel.
Damit ist jetzt erst mal Schluss. Auf dem Weg Richtung 2. Liga setzt Köllner alles auf eine Karte, nimmt zwar die Gesellschafter mit, emanzipiert sich aber von Sportchef Günther Gorenzel als Kaderplaner. Scheitert das Team, das jetzt ein Köllner-Team ist, dann wird auch der Trainer in Erklärungsnot geraten. Ein weiterer Grund, warum er sich auch am Montag nicht hinsetzte und sagte: Mei, ist Minga schön. Sondern vom Viktualienmarkt schnurstracks weiter in sein Büro eilte – um den Feinschliff für die Mission Aufstieg in die Wege zu leiten.
uli.kellner@ovb.net