Der DFB und die Katar-Frage: Knifflige Sache

von Redaktion

Verband sucht nach einer Linie – Beim Heimspiel gegen Italien von Fans kalt erwischt

Mönchengladbach – Am Morgen danach hatten sich die emotionalen Aufwallungen gelegt, eine Anzeige, wie sie der Deutsche Fußball-Bund (DFB) erwogen hatte, war vom Tisch. Der Anlass wäre gewesen: Hausfriedensbruch. Verursacht durch die Mönchengladbacher Fangruppe „Sottocultura Ultras“. Die hatte ein Transparent zum Länderspiel Deutschland – Italien in den Borussia-Park geschmuggelt und es schön sichtbar für die TV-Kameras ausgerollt: „15.000 Tote für große Kulissen. FIFA und Co. ohne Gewissen.“ Versehen mit dem Aufruf „Boykott Katar“. Nach der Aktion gingen die Ultras (Länderspielen können sie ohnehin nichts abgewinnen) wieder, die Polizei Nordrhein-Westfalen stellte sie außerhalb des Stadions und nahm ihre Personalien auf, der DFB kontaktierte die Behörden, doch sah letztlich ein: Alles durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Der Verband erklärte schließlich, dass „keine straf- und verbandsrechtlichen Schritte eingeleitet werden und auf eine Übermittlung der Personalien verzichtet wird“.

Der DFB wurde beim letzten Spiel der Saison von den Fans kalt erwischt. Dass in der Schlussphase drei Flitzer aufs Spielfeld stürmten und die schwerfälligen Ordner foppten (einer der Eindringlinge war läuferisch so überlegen, dass er im Rennen sein Handy zum Mitfilmen aktivieren konnte) – das war die schon vielfach gesehene Mutprobe- und Wette-eingelöst-Folklore, die die 44 000 Zuschauenden als Unterhaltungselement goutierten. Die Plakat-Szenerie verstimmte den DFB nachhaltiger, denn bei seinen Heimspielen hat er über den offiziellen Fanclub Nationalmannschaft und seine eigenen Vertriebswege eigentlich die komplette Kontrolle darüber, wen er in das von ihm angemietete Stadion lässt. Vermitteln will der Verband das Bild eines vom deutschen Fußball beseelten Familienpublikums.

Der DFB sucht nach einer Linie in der Katar-Frage. Für die Spieler gab es bislang zwei Informationsveranstaltungen. Die erste mit Vertretern der Organisationen Human Rights Watch und Amnesty International, die zweite mit einem bunt gemischten Podium, auf dem die LGBTQ-Szene genauso repräsentiert war wie Menschen, die in Katar schon gearbeitet und ihren Alltag als nicht bedrohlich empfunden haben. Das Interesse innerhalb der Mannschaft ist gegeben, doch Aktionen haben schon länger nicht mehr stattgefunden, die letzten, die sich auf Katar bezogen, fielen noch in die Ära von Bundestrainer Joachim Löw. Zum Beginn der WM-Qualifikation im März 2021 bepinselten die Spieler T-Shirts mit Botschaften wie „HUMAN RUGHTS“. Derzeit wird nicht mal mehr darüber geredet, ob der Kapitän eine Binde in den Regenbogenfarben tragen sollte – wie bei der EM im Juni.

Nationalteam-Direktor Oliver Bierhoff will erreichen, dass in Katar die europäischen Verbände sich auf eine Aktion verständigen und es „nicht zu einem Ideen-Wettbewerb“ der einzelnen Teams kommt. Was auch so interpretiert werden kann: Die eigene Mannschaft soll sich auf die sportlichen Zielsetzungen konzentrieren können, nach zwei missglückten Turnieren (WM 2018, EM 2021) benötigt der DFB nun Schubkraft für die Heim-EM  gük

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