Als Bundestrainer Hansi Flick seine Mannschaft Ende Mai in der spanischen Sonne zum Kurz-Trainingslager in Marbella versammelte, schienen Großteile der potenziellen WM-Elf in Stein gemeißelt. Auf den ersten Blick standen lediglich hinter der Rechtsverteidiger-Position und auf dem linken Angriffsflügel noch Fragezeichen. Doch nach drei Wochen Nations League ist klar: Abgesehen von der Achse Neuer, Rüdiger, Kimmich und Müller ist der Konkurrenzkampf völlig offen – und der Bundestrainer wird auch nicht vor knallharten Personalentscheidungen zurückschrecken.
Selbst Leon Goretzka kann sich nicht sicher sein, dass er in Katar an der Seite von Nebenmann Kimmich auflaufen wird. Routinier Ilkay Gündogan drängt ins Team. Gleiches gilt für Jonas Hofmann, der seine Außenseiterrolle als rechter Flügelspieler genutzt hat, ebenso wie Jungspund Jamal Musiala, der sowohl im Mittelfeld als auch im Angriff nahezu jede Position besetzen kann.
Am Ende wird es nicht auf die Leistungen in der Nations League ankommen. Die Spieler, die bei der WM zur ersten Wahl gehören wollen, benötigen ab August drei starke Monate im Ligabetrieb und in den internationalen Wettbewerben. Wer zu Saisonbeginn keinen Stammplatz im Verein hat, riskiert sein Turnier-Ticket. Das sollten sich vor allem Spieler wie Timo Werner, Leroy Sané oder Serge Gnabry zu Herzen nehmen. Außerdem kann die kleinste Verletzung im Termin-Marathon bis zum Abflug den Traum beenden. Flick hat seinen Spielern mitgeteilt, dass er dauerhafte Spielpraxis verlangt. Nach der Freude über den Italien-Erfolg und dem Urlaub beginnt der WM-Druck endgültig.
Seine Mannschaft könne mit einem „Supergefühl in die Pause gehen“, sagte der Bundestrainer nach dem 5:2-Erfolg gegen Italien. „Das war ein guter Abschluss für uns alle. Im September müssen wir an der einen oder anderen Stellschraube drehen. Denn es war nicht alles gut. Siege sind wichtig, weil sie gut fürs Selbstvertrauen sind.“ Eigentlich wollte Flick den Länderspiel-Viererpack nutzen, um schon mal die gröbsten Konturen einer Turnier-Mannschaft einzuspielen. Doch er erkannte schnell, dass nach der Saison in erster Linie eine sinnvolle Belastungssteuerung gefragt war. So wurde munter gewechselt und der Konkurrenzkampf angeheizt.
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