Kurz vor dem Start wurde die Tour de France dann also doch wieder von der Vergangenheit eingeholt. Am frühen Donnerstagmorgen stürmte die dänische Polizei das Teamhotel des Rennstalls Bahrain-Victorious. Ob etwas beim besten Tour-Ensemble des Vorjahres gefunden wurde, ist noch nicht bekannt. Aber natürlich ist er damit schon wieder zurück, der Geruch von Doping und Betrug.
Genau das hatte man beim wichtigsten Wettbewerb des Radsport-Jahres ja unbedingt verhindern wollen. Bjarne Riis, Jan Ullrich, die zwielichtigen Helden von einst, hielt man bewusst aus dem Dunstkreis der Tour fern. Und die Protagonisten von heute? Sie liefern vor allem eine Botschaft: Der Radsport ist nicht mehr derselbe, er hat seine Lektion gelernt. Doch es liegt in der Natur der Sache: Vertrauen zurückzuholen, das ist ein Prozess, der dauert.
Und so ist es aus deutscher Sicht vielleicht gar nicht so schlecht, dass man bei der Tour aktuell eher kleine Brötchen bäckt. Schwarz-Rot-Gold hat eine Nebenrolle im Feld der 176 Fahrer, die an diesem Freitag in Kopenhagen auf die gut 3500 Kilometer lange Reise gehen. Das deutsche Fahrerkontingent ist nicht nur klein, es ist auch für die eher kleinen Ziele gemacht. Man ist Helfer, Wasserträger – Steigbügelhalter für die Topfahrer. Doch mit dem Gesamtklassement werden die deutschen Rundfahrer selbst nichts zu tun haben.
Das ist nicht unbedingt der Stoff, um Radsport-Euphorie im Land zu erzeugen. Dafür bräuchte es, wie auch Bora-hansgrohe-Teamchef Ralph Denk kürzlich sagte, eben doch einen Fahrer für die ganz großen Ziele. Einen Sportler, der Gelb zumindest für einige Tage durch Frankreich trägt. So wie Didi Thurau etwa, der 1977 bis zur 15. Etappe das wertvollste Radsport-Textil trug und damit sogar den späteren französischen Präsidenten Jacques Chirac schwer verzückte. Seit Konrad Adenauer, so soll er gesagt haben, habe niemand mehr für die deutsch-französische Freundschaft getan als Thurau.
Vergleichbares ist in den kommenden drei Wochen nicht zu erwarten. Fahrer wie Bora-Diamant Lennard Kämna, wie Nils Politt oder Maxi Schachmann können jederzeit eine Etappe gewinnen und am nächsten Tag hinreißend untergehen. Nicht der Stoff, um an den großen Heldengeschichten der Tour zu schreiben. Aber vielleicht ja der, um Vertrauen zu erzeugen.
patrick.reichelt@ovb.net