„Früher bist du auch mit Schnupfen gestartet“

von Redaktion

Nils Politt über die ersten Tour-Tage, Etappensiege und das gelockerte Corona-Protokoll

München – Den letzten Kick in Richtung Tour hat sich Nils Politt am vergangenen Wochenende geholt. Bei den Deutschen Meisterschaften am Kahlen Asten errang er souverän den Titel und darf nun Schwarz-Rot-Gold durch Frankreich tragen. Bei der Tour tritt er mit entsprechend breiter Brust an, wie er im Interview erklärte.

Herr Politt, der Radsport ist inzwischen Thema verschiedener Dokumentationen. Sind Sie ein Freund von „Höllentour“ & Co.?

Ja, schon. Ich schaue mir so etwas gerne an. Auch „Being Jan Ullrich“ (ARD-Dokumentation, d.Red.) kürzlich war sehr schön gemacht. Ich habe mir solche Dinge schon als Kind gerne angesehen. Es war toll zu sehen, wie es ist, wo du unbedingt hinwolltest.

Nun sind Sie dabei und mit BORA-hansgrohe selbst Gegenstand einer Netflix-Doku.

Das stimmt, die letzte Zeit war natürlich ein bisschen stressiger als normal. Aber wenn Netflix etwas macht, dann wird das eigentlich immer etwas Gutes. Ich bin schon sehr gespannt, wie die Tour dabei rüberkommt.

Ihre eigene Rolle können Sie selbst beeinflussen. Zum Beispiel mit einem Etappensieg, so wie im Vorjahr in Nimes…

Das wäre natürlich optimal. Mal sehen. Wir haben eine starke Mannschaft. Ich denke, wir sind für eine ganze Menge gut.

Was hat das Erlebnis von 2021 bei Ihnen bewirkt? Angriffslustig waren Sie schon lange – aber gehen Sie die Attacken nun selbstbewusster an?

Seit damals habe ich vier Rennen gewonnen. Ich denke, das sagt schon ziemlich viel. Das bringt einen schon weiter. Klar kommt es bei einem Angriff auch auf ein paar andere Sachen an. Aber man weiß einfach, dass man es kann. Wenn du im Ziel die Arme hochgerissen hast, das ist etwas, das du nicht vergisst.

Wobei Ihre Formkurve generell seit Ihrem Teamwechsel vor dem vergangenen Jahr nach oben zeigt. Was hat sich verändert?

Zunächst einmal natürlich ein anderes Training. Ich arbeite seitdem einfach anders. Das hat mir definitiv gut getan. Aber man muss auch sagen, dass ich mich bei BORA- hansgrohe auch super wohl fühle. Wohlfühlatmosphäre ist eine ganz wesentliche Voraussetzung für sportlichen Erfolg, denke ich.

Abgesehen von Ihrem Team BORA-hansgrohe wird bei der Tour in diesem Jahr auffällig wenig deutsch gesprochen. Bedeutet das mehr Verantwortung für Sie?

Stimmt schon, es sind nicht so viele Fahrer im Feld. Aber gut, man muss auch sehen, dass einige bekannte Gesichter rausgegangen sind. Tony Martin ist nicht mehr da, auch Andre Greipel. Das ist ein Generationswechsel. Es gibt schon viele junge deutsche Fahrer, da mache ich mir keine Gedanken, aber diese Fahrer müssen sich so etwas wie einen Tourstart erst erarbeiten. Ob das Verantwortung bedeutet, weiß ich nicht. Ich denke, es gibt einige Fahrer, die auf jeden Fall für Etappensiege gut sind. Und die werden schon wahrgenommen, das ist gut für den Radsport.

Pünktlich zur Tour de France ist allerdings auch Corona wieder verstärkt ein Thema. Auch Ihr Team war zuletzt betroffen…

Ja, das stimmt, dabei hatte man schon gedacht, man hat es geschafft. Wobei es zumindest vielleicht ganz gut ist, wenn man es vor der Tour schon hatte. Dann ist die Gefahr doch eher klein, dass du es in Frankreich wieder bekommst. Aber klar, letztlich kannst du nur hoffen, hoffen, hoffen…

In den letzten Tagen wurde trotz der aktuellen Fälle das Corona-Protokoll leicht gelockert. Auch ein positiver Test muss nicht zwingend das Aus bedeuten. Eine richtige Entscheidung?

Auf jeden Fall. Es ist doch einfach so, dass die momentane Variante eher harmlos zu sein scheint. Es gab ja sogar ein paar Fahrer, die praktisch keine Symptome hatten und nur durch den Test gemerkt haben, dass sie positiv sind. Da finde ich es einfach zu streng, solche Leute aus dem Wettbewerb zu nehmen. Früher bist du doch auch gestartet, wenn du einen Schnupfen hattest. Aber gut, man muss einfach hoffen, dass es einen nicht erwischt.

Wenn alles gut geht – kann Ihr Team tatsächlich die slowenischen Überflieger Tadej Pogacar und Primoz Roglic angreifen?

Auf jeden Fall ist Alex (Wlassow, d. Red.) auch kein Schlechter. Das Podium halte ich für absolut realistisch. Er muss jetzt erst mal gut durch die ersten Tage kommen, die wahrscheinlich sehr hektisch werden. Aber da werden wir ihn schon durchbekommen.

Interview: Patrick Reichelt

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