Die Stehauf-Frau

von Redaktion

Schicksalsschläge und Mutter-Dasein: Die Geschichten hinter Tatjana Maria

VON THOMAS JENSEN

München – Nächstes Spiel: Babypause. So steht es auf der Homepage, die Tatjana Maria selbst betreut. Oder besser: betreut hat. Seit 2013, eben jener ersten Babypause der Tennisspielerin, wurde die Seite nicht mehr aktualisiert.

Zum Glück ist es diese Art von Arbeit, die in Marias Alltag als Mutter augenscheinlich keinen Platz mehr findet – und nicht das Tennisspielen. Denn ob sie nach der Schwangerschaft überhaupt zurückehren würde, dass ließ sie 2013 zunächst offen, nachdem sie in der ersten Runde eines Rasenturniers im Londoner Stadtteil Wimbledon ausgeschieden war. Damals meinte sie noch: „ Ich wollte in Wimbledon spielen, weil es etwas Besonderes ist, und ich immer gerne hier gespielt habe.“ Nun ist die gebürtige Bad Saulgauerin wieder beim wichtigsten Tennisturnier der Welt – und steht im Halbfinale.

Denn sie kam nicht nur nach der Geburt ihrer ersten Tochter Charlotte zurück, sondern auch nach der von Cecilia vor 15 Monaten. „Es ist ein Traum, das mit meiner Familie, mit meinen zwei kleinen Töchtern zu erleben“, sagte die 34-Jährige nach dem gewonnenen Viertelfinalspiel gegen Jule Niemeier auf dem Platz. Entscheidend für diesen Traum ist nicht nur, dass sie nach den Babypausen wieder spielte, sondern auch wie: Nach ihrem Comeback vor einem Jahr rutschte sie aus den besten 200 der Welt – inzwischen ist sie wieder auf Rang 103 geklettert. Schon das Erreichen des Viertelfinals war ihr mit Abstand größter Erfolg auf Grand-Slam-Ebene.

Allerdings hat sie ihre Qualitäten als Stehauf-Frau nicht nur nach Glücksmomenten oder Rückständen auf dem Platz bewiesen, sondern auch nach Schicksalsschlägen. Als damals 20-Jährige erlitt sie 2008 bei dem Turnier in Indian Wells eine lebensgefährliche Lungenembolie, vorausgegangen war eine Thrombose am Bein. Mit Schmerzen in der Brust und Atembeschwerden kam sie ins Krankenhaus – und überlebte. Damals war ihr Vater Heinrich an ihrer Seite. Neun Monate später starb der ehemalige polnische Handballnationalspieler an Krebs. In den Tagen von Wimbledon äußerte Maria nun: „Bei mir sind ein paar Sachen passiert, die einen automatisch stärker machen.“

Wer aus eigener Erfahrung weiß, dass im Netz landende Filzkugeln nicht das größte Drama im Leben sind, der ist auf dem Platz entspannter. „Man spürt, dass sie komplett in sich ruht und ein ganz zufriedener Mensch ist“, erzählte Barbara Rittner, die Damen-Bundestrainerin, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Maria beschrieb die Prioritäten in ihrem Leben so: „Das Wichtigste ist, Mutter von zwei Kindern zu sein. Nichts wird das ändern.“

Ein Beispiel: Bevor sie in Wimbledon trainiert, spielt sie morgens mit Tochter Charlotte, die gerde Ferien hat. Erst danach widmet sie sich ihrem Spiel. Dabei geht es auch familiär zu: Ihr Trainer ist ihr Mann Charles-Edouard, ein Franzose, den sie 2013 in Palm Beach Gardens, Florida heiratete, wo sie auch wohnen.

Dort lebt sie übrigens in Nachbarschaft zu zwei Tennislegenden: Venus und Serena Williams. Sollte sie in Wimbledon gewinnen, würde man ihren Namen allerdings viel mehr mit einer anderen Spielerin verbinden: Evonne Goolagong-Cawley. Die Australierin war 1980 die einzige Mutter, die in den letzten 100 Jahren Wimbledon gewann. Und sollte sie entweder das Halbfinale gegen ihre Freundin Ons Jabeur am Donnerstag oder ein mögliches Finale nicht gewinnen, ist sie wohl selbst ihre größte Trösterin: denn sie weiß, dass es Wichtigeres gibt als Tennis.

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