Rybakinas Triumph

Geboren in Moskau, made in Kasachstan

von Redaktion

MATHIAS MÜLLER

Es hätte so wunderbar enden können für den veranstaltenden All England Lawn Tennis and Croquet Club . Die Tunesierin Ons Jabeur, selbsternannte Botschafterin des Glücks, schien nach gewonnenem ersten Satz auf bestem Wege, sich zur ersten afrikanischen Grand-Slam-Siegerin zu krönen. Doch es kam anders: Am Ende überreichte Herzogin Kate Middleton die Venus-Rosewater-Dish an Elena Rybakina. Ein Bild, auf das die Wimbledon-Organisatoren gerne verzichtet hätten und das, so schrieb es der britische „Telegraph“, „jeden in der russischen Botschaft in London brüllend über seine Wodka-Gläser lachen ließ“. Denn die 23-Jährige ist eine gebürtige Moskauerin, die seit vier Jahren für Kasachstan startet.

Ihr erster Erfolg auf großer Bühne hatte eine höchst politische Note, schließlich waren alle russischen und belarussischen Spieler und Spielerinnen von Wimbledon ausgeschlossen. Auf der Pressekonferenz wurde Rybakina gefragt, ob sie den Angriffskrieg Russlands und die Taten Putins verurteile. Sie wich aus und verwies – nach zuvor durchaus flüssigen Antworten – auf ihr „nicht so gutes Englisch“. Nun ja, da hatte man sich mehr erhofft, auch wenn die oft schüchtern auftretende junge Dame erst 23 Jahre alt ist. Während des Turniers hatte sie immerhin beteuert, dass sie hoffe, dass der Krieg bald endet.

Emotional hingegen – Tränen inklusive – wurde Rybakina beim Gedanken an ihre Eltern, die nach wie vor in Moskau wohnen. Viel Geld hatte die Familie nie, deshalb ging sie 2018 gerne auf die Avancen des milliardenschweren kasachischen Geschäftsmanns Bulat Utemuratov ein, der gezielt russische Tennistalente verpflichtete, um das angekratzte Image (Menschenrechte!) seines Landes aufzupolieren. Er bewies den richtigen Riecher, die aktuell jeweils drei besten Spieler und Spielerinnen Kasachstans sind in Russland geboren. Rybakina ist in dieser Hinsicht sozusagen sein Meisterstück.

Und sie ist eine junge Frau, die nun (natürlich) von vielen Seiten vereinnahmt wird. „Wir haben Wimbledon gewonnen“, jubelte Schamil Tarpischtschew, Präsident des russischen Tennisverbands RTF, in ihrer (alten) Heimat. Bulat Utemuratov, seines Zeichens auch Tennispräsident, umarmte sie auf der Tribüne. Ein Bild, das zumindest ihm gut gefallen haben dürfte.

mathias.mueller@ovb.net

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