Spielberg – Sebastian Vettels momentanes Lebensgefühl ist einfach zu beschreiben. Die Vergangenheit schimmert rosarot, die Zukunft ist grün, doch die Gegenwart erscheint dem 35-Jährigen in tristem grau. Mit Aston Martin läuft es nicht. Das Qualifying vom Red-Bull-Ring war wie eine Blaupause seines Zustandes. Letzter wurde er, ohne eine richtige Erklärung dafür zu haben. „Wir waren einfach zu langsam,“ analysiert er emotionslos und putzt dabei seinen speziell für den Österreich-GP schwarz-gelben Helm in Biene-Maja-Design. Sein genau vor einem Jahr eröffnetes Hotel für Bienen in der Nähe des Rings boomt. Es ist ständig ausgebucht.
Ob ihn das tröstet? Wohl kaum. Vettel muss bald über seine Zukunft nachdenken. Soll er weitermachen in der Königsklasse, die ihm – außer dem Fahren der Autos selbst – mit dem ganzen Showbiz drumherum keinen Spaß mehr macht. Soll er wirklich weiter um die Welt reisen – gegen seine Einstellung, weil er als bekennender Umweltaktivist ständig predigt, auf unnötige Flüge des Planeten zuliebe besser zu verzichten? Wenn, dann mit Aston Martin.
Allein: Man hat das Gefühl, dass er nicht mehr an das Projekt glaubt, das er voller Hoffnung im letzten Jahr gestartet hat. Sarkastisch kommentiert er sein Desaster. „Willst du Sebastian vorne sehen, musst du die Tabelle drehen.“ An Tagen wie diesen gibt er sein näherem Umfeld klare Zeichen, dass es keinen Sinn mehr macht, weiter im Kreis zu fahren, ohne Erfolge zu ernten. Der letzte Strohhalm trägt als Zeichen vier Ringe. Ständig informiert er sich, wie die Verhandlungen des VW-Konzerns laufen. Die Wolfsburger wollen mit Audi und Porsche einsteigen. Ein Karriereabschluss mit Audi – das könnte ihn zum Weitermachen motivieren. Was er aber in Spielberg hörte, kann ihm nicht gefallen haben. Sowohl Audi als auch Porsche scheinen weiter weg von der Königsklasse denn je. Erstens soll es einen Machtkampf zwischen VW-Konzernchef Herbert Diess und Audi-Chef Markus Duesmann geben. Beide werfen sich gegenseitig vor, verantwortlich für eine schlechte Software in aktuellen Konzernmodellen zu sein. Dazu kommt: Red Bull will plötzlich vom vermeintlichen Partner Porsche mehr Geld, als die Zuffenhausener zu bezahlen bereit sind.
Bei Audi gibt es noch ein anderes Problem. Die Ingolstädter brachen die Verhandlungen mit Vettels Boss, Aston-Martin-Mehranteilseigner Lawrence Stroll ab. Grund: Den Managern ist zu Ohren gekommen, dass die britische Sportwagenmarke schwer in den roten Zahlen steckt. Stroll will seine Anteile verkaufen. Eine Familie in Dubai soll ihm gerade ein Übernahmeangebot gemacht haben.
Fest steht: Vettel läuft die Zeit weg. „Bald werde ich mich entscheiden“, gibt er preis. Bald heißt: In der Sommerpause, die Ende August wieder beendet ist.
RALF BACH