Kerleys Mission: Silber ist nicht genug

von Redaktion

100-Meter-Showdown bei WM – für den Favoriten „eine Sache des Glaubens“

Eugene – Es tut weh, richtig weh. Noch immer. „Ich war so dicht dran an Gold, so dicht“, sagt Fred Kerley über seine Olympia-Pleite in Tokio. „Ich habe etwas erreicht, aber Silber ist nicht genug – ich wollte Gold.“ Nun sinnt der US-Sprinter bei der Heim-WM in Eugene (bis 24. Juli) umso mehr auf Revanche: Beim ultimativen Showdown über 100 m zählt für Kerley nur der Titel. „Niemand auf dieser Welt wird mein Selbstvertrauen brechen. Ich glaube an mich“, sagt Kerley, der mit seinen 9,76 Sekunden in diesem Jahr die Nummer eins der Welt ist und beim Sprint-Spektakel (Sonntag, 4.50 Uhr MESZ) als Topfavorit gilt: „Ich gehe nie mit dem Gedanken in ein Rennen, dass ich verlieren werde.“

Auch nicht an diesem 1. August vor einem Jahr in Tokio. Es sah gut aus, Kerley lag vorne – doch dann kam Marcell Jacobs. Der Italiener, damals noch ein No-Name, düpierte alle und gewann in 9,80 Sekunden. Kerley rannte 9,84 Sekunden, Silber – er war und ist immer noch enttäuscht. Ob Jacobs (10,04) nach einigen Verletzungssorgen wieder rechtzeitig in Topform ist? Kann das ewige Talent Trayvon Bromell (9,81) endlich einen großen Titel holen? Gelingt dem jamaikanischen Jungstar Oblique Seville (9,86) die Sensation?

Interessiert Kerley alles nicht, der denkt nur an sich. Und seine Mission. „Ich bin in der Kirche aufgewachsen“, sagt Kerley, gläubiger Christ aus Texas: „Man muss den Glauben haben, um nach oben zu kommen. Man muss daran glauben, dass man gewinnen wird. Man muss daran glauben, dass man Großes vollbringen wird – und ich glaube, dass ich Großes vollbringen werde.“ Es ist Kerleys erste WM als Hauptdarsteller auf der ganz großen 100-m-Bühne, 2017 und 2019 war er noch über die 400 m dabei, wurde Siebter und Dritter. Erst nach einer Verletzung konzentrierte sich der 27-Jährige ab 2021 auf die 100 und 200 m.

Mit Gold wäre Kerley ganz oben angekommen. Es wäre eine Geschichte, wie sie nicht nur die Amerikaner lieben. Als Kleinkind wurde Kerley zusammen mit seinen vier Geschwistern von seiner Tante Virginia adoptiert, sie zog damit 13 Kinder groß, nicht immer wurden alle satt, als Teenager landete Kerley fast im Gefängnis. Über den Sport schaffte er es ans College. Vermutlich will keiner diesen Titel so sehr wie Kerley. „Ich weiß, was ich für die Goldmedaille tun muss“, sagt er: „Und ich weiß, dass 2022 eines der besten Jahre meines Lebens sein wird.“  sid

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