Julian Nagelsmann war bestens gelaunt, als der Reisetross des FC Bayern am Montag am Münchner Flughafen ankam. Der Fußballlehrer nahm sich Zeit für ein paar „gestrandete“ Fans und posierte für Selfies und Autogramme. Kein Wunder, dass der 34-Jährige gute Laune hat, immerhin hat ihm Sportvorstand Hasan Salihamidzic beinahe jeden Transfer-Wunsch von den Lippen abgelesen – und erfüllt. Nagelsmann wünschte sich einen dribbelstarken Offensivspieler, Sadio Mané kam. Nagelsmann wünschte sich einen Kommunikator als Abwehrchef, Matthijs de Ligt ist im Anflug. Nagelsmann wünscht sich noch eine pressingstarke Alternative zu Joshua Kimmich und Leon Goretzka im Mittelfeldzentrum, Konrad Laimer wird wohl demnächst das Bayern-Dress überstreifen. Und mit Ryan Gravenberch (Mittelfeld) und Noussari Mazraoui (Rechtsverteidiger) stehen zwei talentierte Kicker bereit, die den Kader des deutschen Rekordmeisters in der Breite enorme Qualität verleihen.
Salihamidzic hat geliefert – und Nagelsmann muss es jetzt auch. Anders als bei Triple-Trainer Hansi Flick, zu dessen Münchner Cheftrainer-Zeiten ein knallharter Sparkurs herrschte, sitzt das Geld im zweiten Jahr von Nagelsmann lockerer. Es hagelt regelrecht Superstars. Allerdings muss der Trainer beispielsweise auch den Abgang von Robert Lewandowski kompensieren, dessen Torjäger-Qualität der Mannschaft jedes Jahr 40+ Treffer erzielt hat. Die aktuelle Transfer-Periode gleicht einem Münchner Total-Umbruch. Nagelsmann muss jetzt innerhalb kürzester Zeit eine Mannschaft formen, die mindestens das Double holt und ins Halbfinale der Champions League einzieht. Eine anspruchsvolle Aufgabe für einen 34-jährigen Fußballlehrer.
Sollte der Saisonstart recht holprig verlaufen und (zu) früh der eine oder andere Titel verspielt werden, wird die Kritik am Trainer schnell laut werden. In den vergangenen Jahren war es stets Salihamidzic, der bei Misserfolg schnell ins Kreuzfeuer der Öffentlichkeit geriet. Dieser Kelch dürfte nach diesem Transfersommer an Brazzo vorübergehen. Viel mehr wird dann die Arbeit von Nagelsmann hinterfragt werden. Immerhin hat er in seinem Premieren-Jahr als Bayern-Trainer „nur“ die Meisterschaft nach München geholt. Und mit dem aktuellen Kader sind das mindestens zwei Pokale zu wenig
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