„Armstrong war mein festes Feindbild“

von Redaktion

Kabarettist Helmut Schleich über die Frankreich-Rundfahrt, Glücksgefühle am Rad und persönliche Favoriten

Herr Schleich, ist der nächste Urlaub in Dänemark noch zu vermeiden, oder geht es doch nach Slowenien? Zu Ehren des neuen Toursiegers…

(lacht) Ach, ich fahre nach Frankreich. In meinem Dorf war die Tour auch schon einige Male. In diesem Jahr leider nicht.

Sonst sähe man Sie im Campingstuhl am Straßenrand?

Habe ich tatsächlich schon gemacht. Das war allerdings die Vuelta, eine Auslandsetappe, Das ist wie ein kleines Volksfest. Erst kommt die Karawane, eine Stunde später das Peloton. Da hast du dann fünf Sekunden den Bienenschwarm, dann fünf Minuten Autos und es ist vorbei. Aber es ist großartig.

Die Berge würden das Zuschauen einfacher machen. Gäbe ja genug…

Das stimmt. Eigentlich ist es ja ein Irrsinn. Du fährst 2645 Meter hoch, wie auf den Galibier. Dann auf der anderen Seite wieder runter, nur um auf den nächsten Berg zu fahren. Das hat schon was von Sisyphos.

Dem entsprechend ist die Tour aber auch ein Ausleseverfahren. Ein Drittel der Starter erreicht Paris nicht.

Das ist ein gnadenloses Ausleseverfahren. Und das mit einem gnadenlosen Zeitlimit. Da gibt es dann Leute, die einen Meter vor dem Besenwagen herfahren, bis es sie dann noch zerbröselt.

Ist die Tour zu schwer?

Christian Prudhomme ist jetzt ja auch schon lange Tourdirektor. Der bringt schon immer sehr interessante neue Etappen. 2025 soll zum Beispiel der Puy de Dome im Zentralmassiv wieder ins Programm kommen. Die Fahrer werden geteilter Meinung sein, aber für die Zuschauer ist das großartig.

Sie sind ja selbst überzeugter Radfahrer. Typ Geschke?

Mehr wie der Opa vom Geschke (lacht). Nein, so alt bin ich doch noch nicht. Aber klar, von der Physiognomie bin ich nicht so ganz der Sprintertyp. Eher der Kletterer. Auch wenn ich kein Sportradler bin.

Auch der Giesinger Berg kann Glücksgefühle bringen, oder?

Genau. Du kämpfst dich rauf, bist aus der Puste und kannst dich der Illusion hingeben, dass du so fährst wie bei der Tour. Wobei ich wahrscheinlich nicht mal bei der Präsentation das Fahrrad auf die Bühne bekommen würde (lacht).

Das klingt zumindest nicht nach E-Bike.

Nein, ich habe kein E-Bike. Das ist eine Entwicklung, die oft nervig ist. Wenn Du mit einem normalen Radl auf der Fahrradstraße fährst, hauen Dich schon die Kampfmütter mit dem Lasten-E-Bike weg. Und dann bekommst du das Klimaargument. Von E-Bikern, die mit Kohlestrom aufladen, alles klar. Absurder ist nur noch, wenn – wie bei der Tour heuer – Klimaaktivisten ausgerechnet ein Radrennen blockieren. Intelligenter Protest geht anders.

Ein Formel-1-Rennen hat interessanterweise noch niemand blockiert.

Das könnte aber auch leicht ins Auge gehen. Das Gute ist, dass diese Situationen in Frankreich schnell geklärt sind. Da kommt die Polizei nicht mit dem Wattestäbchen, schon gar nicht beim Nationalsymbol Tour.

Verfolgen Sie die Rennen eigentlich mit Sympathien?

Ja, natürlich. Wobei momentan anders herum das Feindbild fehlt. So wie Lance Armstrong, der war immer das Feindbild. Ganz egal, gegen wen es ging. Ob das Jan Ullrich war oder irgendein anderer – ich war immer für den anderen.

Und wie sieht es in diesem Jahr aus?

Mir wäre Pogacar ein bisschen lieber gewesen. Ich finde den einfach gut, außerdem habe ich eine gewisse Verbindung zu Slowenien. Ist ja nicht weit von uns. Aber ehrlich gesagt: Ich glaube, es wird bleiben, wie es jetzt ist. Der Vingegaard wirkt zu souverän und stark. Und da sind zwei Minuten Abstand schon sehr viel.

Also doch Urlaub in Dänemark…

Naja, wie hoch ist der höchste Berg in Dänemark? 170 Meter. Den schaffe ich grade noch.

Interview: Patrick Reichelt

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