Bayerisches Tour-Resümee

Hoffen auf Kämna

von Redaktion

MATHIAS MÜLLER

Den ersten ausbaufähigen Auftritt legten Alexander Wlassow und sein Team Bora-hansgrohe bereits vor dem Start der Tour der France, die mit dem überhaupt erst zweiten dänischen Sieg von Jonas Vingegaard zu Ende ging, hin. Kritische Nachfragen, warum der Russe, im Gegensatz zu vielen Landsleuten, seinem Job nachgehen darf, wollte der 26-Jährige nicht beantworten. Oder besser gesagt: sein Arbeitgeber ließ die Frage gar nicht zu.

Auch in den drei kräftezehrenden Wochen danach lieferte der bayerische Rennstall ein eher unglückliches Bild. Wlassows fünfter Platz und Rang vier in der Mannschaftswertung klingen zwar nett, aber mehr ist es eben auch nicht geworden. Kein Gesamtpodest und kein Etappensieg. Dabei hatte sich Bora im Kaderkonstrukt für die Frankreichrundfahrt voll und ganz dem Kampf um das Gelbe Trikot verschrieben.

Topsprinter Sam Bennett ließ man zu Hause. Zu Recht, da die schnellen Jungs nahezu keine Rolle spielten oder vom nimmersatten Wout van Aert düpiert wurden. Der Plan um Speerspitze Wlassow und seine sieben Helfer ging allerdings nicht auf. Dabei hatte man in Lennard Kämna sogar nur einen krankheitsbedingten Ausfall zu verzeichnen. Insgesamt radierten Stürze, positive Coronatests und Erkrankungen fast ein Viertel des gestarteten Feldes aus. Tadej Pogacars Team Emirates zum Beispiel erreichte das Ziel nur noch zu viert.

Klar, auch Wlassow stürzte. Maxi Schachmann reiste genesen von Corona an und Lennard Kämna hatte Pech. Zu Gelb fehlten ihm in Megeve nur elf Sekunden, und den Etappensieg verpasste er in La Planche des Belles Filles nur um weniger als 100 Meter. Und dennoch war die Tour für die Ambitionen von Bora-Boss Ralph Denk – nach dem Giro-Sieg von Jai Hindley – wieder ein Rückschlag. Zuvor scheiterte er mit dem nach außen immer so blassen Frontmann Emanuel Buchmann. Auch Wlassow ist kein Gesicht, das Denk verkaufen kann.

Kämna – ein aufgeweckter 25-Jähriger mit emotionaler Vergangenheit (mentale Probleme) – hingegen schon. Man wolle mit ihm besprechen, ob er mal die Führungsrolle übernehmen will, sagte Denk vorsichtig. Er will keinen Druck auf seinen Raddiamanten, der nach einer Auszeit erst Anfang dieses Jahres wieder in den Sattel zurückgekehrt war, aufbauen. Er tut gut daran, auch wenn er „Lennie“ in dieser Rolle so dringend brauchen würde.

mathias.mueller@ovb.net

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