Während der Olympischen Spiele 1972 war er Fan, doch schon 1975 wurde der Park mit dem Zeltdach zu seinem Arbeitsplatz – und Arno Hartung, heute 73, blieb 41 Jahre bei der Olympiapark GmbH. war lange Pressesprecher, am Ende Geschäftsführer. Wie ist das, wenn man olympisches Flair täglich erlebt?
Herr Hartung, Sie waren 1972 Student und haben Olympia in München voll mitgenommen.
Meine erste Begegnung mit dem Park war schon 1970. Ich war da bereits im Vorstand von Iphitos (Münchner Tennisclub. d. Red.), wir hatten David Cup Deutschland – Ungarn und haben im Rahmenprogramm den Gästen gezeigt, was in München entsteht. Das Faszinierende: Der grüne Rasen war schon da, darum herum wurde gebaut.
Zwei Jahre später saßen Sie dann in einem vollen Stadion. Wie war es mit Karten?
Es wurde verlost, wer Kartenkontingente kaufen konnte. Ich hatte Glück, dass ich früh dran war. Später kam es vor, dass Leute zu den 100 Metern in der Leichtathletik wollten, man ihnen aber nur einen Vorlauf im Rudern anbieten konnte. Ich bekam für viele entscheidende Wettbewerbe, das waren sicher zehn, Tickets und am Tag der Eröffnungsfeier noch eine dafür – von jemandem, der keinen Bock hatte, hinzugehen. Ich muss aber zugeben, dass das intensive Besuchen der Olympischen Spiele dazu geführt hat, dass ich zehn Tage danach durchs erste Jura-Examen gefallen bin. Ein Jahr später allerdings nochmals – ohne Olympia.
Ihre damalige Freundin, heute Frau, spielte eine Rolle bei Olympia.
Sie war Olympia-Hostess im Olympischen Dorf – dadurch konnte ich dort relativ frei reingehen. Bis zum Attentat am 5. September, dann war Schluss damit. Meine Frau hatte an dem Tag vormittags keinen Dienst. Ich erinnere mich, wie wir bei ihren Eltern in Gern die Hubschrauber gehört haben, die nach Fürstenfeldbruck flogen, und wie ich bei der Heimfahrt nach Bogenhausen in der Straßenbahn hörte, es sei alles gut ausgegangen, was nicht stimmte. Am nächsten Tag war ich auf der Trauerfeier. Und ich hatte noch eine verwandtschaftliche Beziehung zu Olympia: zu Werner Ruhnau, den vor Erfinder der Spielstraße, die dann am 5. September geschlossen wurde. Prägende Erinnerungen aus mehrfacher Sicht.
Wie kamen Sie beruflich zum Olympiapark?
Ich habe ein Jahr bei der Allianz gearbeitet. Werner Göhner, der Geschäftsführer der Olympiapark GmbH, den ich auch übers Tennis kannte, hat gefragt, ob ich kommen will. Man brauchte jemanden für die große Ausstellung „Raumfahrt und Umwelt in der Sowjetunion“ im September 1975. Die hochheilige Allianz musste ich verlassen, am 7. Juli 1975 habe ich im Park angefangen – nicht wissend, dass es 41 Jahre werden würden. Eine tolle Zeit. Es war für mich ein Traumjob, wenngleich arbeitsintensiv.
Spüren Sie den Olympischen Geist im Park immer noch?
Ja, denn ich bin verwachsen mit dem Park und komme auch im Ruhestand immer gerne hierher. Wobei man sagen muss: Der Park hat sich gewandelt, Sport war der Schwerpunkt in den 70er-, 80er-, 90er-Jahren, heute verbinden die Leute mit ihm die Musik.
Markant ist die Zeltdach-Architektur des gesamten Gebäude-Ensembles. Man rechnete 1972 wohl aber damit, dass man das nach zehn, fünfzehn Jahren abbauen müsste, weil die Plexiglasscheiben nicht halten würden. Aber dann wäre der Zauber verflogen.
Von der Idee und Planung her war der Olympiapark auf zwölf bis fünfzehn Jahre konzipiert. Man dachte, danach fällt der Vorhang oder es wird ein zweiter Englischer Garten. Es hat sich völlig anders entwickelt und das Dach viel länger gehalten. Erst Ende der 90er-Jahre sind die Platten milchig geworden, sodass man sie austauschen musste. Dass der Park so gut lief, lag an seiner zentralen Lage und daran, dass die Münchner ihn angenommen haben und er für die Touristen eine Attraktion geworden ist. Das hatte mit dem Zeltdach zu tun. Mit Nullachtfünfzehn-Bauten gäbe es den Olympiapark heute wohl wirklich nicht mehr. Was vom Unterhalt eine Erleichterung war: Anders als etwa in Los Angeles, wo die Sportstätten über die gesamte Stadt verteilt waren, haben wir hier alles auf engem Raum.
Für welche Außenstellen war die Olympiapark GmbH zuständig?
Nur für die Ruderregatta in Oberschleißheim, die haben wir mitverwaltet – neben Freistaat und Landkreis. Die Sedlmayer-Halle, heute der Audi Dome, war der Stadt unterstellt, Anlagen wie die Schießanlage in Hochbrück oder die Reitanlage in Riem sind den jeweiligen Fachverbänden zugeteilt worden.
Die Regatta wurde zum Problemkind.
Sie ist sehr, sehr schön, aber in die Jahre gekommen – und da muss man irgendwann die Kosten-Nutzen-Rechnung aufmachen. Sie ist nun ja für die European Championships aufgepeppt worden, sodass Hoffnung besteht, dass sie erhalten bleibt. München ist beim Thema Nachhaltigkeit aber Vorbild gewesen. Es gab ein Hockeystadion, aber weil klar war, dass man nach Olympia keines braucht, hat man es abgebaut. Mit Dressurreiten ging man nach Nymphenburg, mit Bogenschießen in den Englischen Garten, mit Ringen in die Messehallen. Aus meiner Sicht könnte München sich jetzt nicht mehr um Olympische Sommerspiele bewerben, die sind viel zu groß geworden. Man baut in Mega-städte eigene Städte hinein, braucht mehrere Hallen mit zehn- bis fünfzehntausend Plätzen Kapazität. Was sollte München mit 1,5 Millionen Einwohnern damit anfangen? Für Winterspiele wäre München ideal gewesen.
Eine besondere Episode ist das Radstadion, das im Jahr 1999 zur IOC-Spielhölle „Olympic Spirit“ wurde.
Insgesamt sind wir von größerem Flops weitestgehend verschont geblieben. Der „Olympic Spirit“ war einer – wie die DTM im Olympiastadion oder ein Fitnessfestival, bei dem wir aus dem Büro heraus die Leute einzeln zählen konnten. Die Idee des „Olympic Spirit“ war nicht schlecht – nämlich, dass man die Sportarten über verschiedene Geräte selbst erlebt –, aber was man sich erhofft hat, ist nicht eingetreten. Das Radstadion lag auch im, wie wir intern sagten, hinteren Teil des Parks und war schwerer zu erreichen; dazu kam, dass die, die das finanzieren sollten, sich als Erste vom Acker gemacht haben. Aber wir hatten Tausende von Veranstaltungen, da sind wenige Flops schon mal drin.
Radsport war ab 1972 ein großer Erfolg – wenngleich nicht im Radstadion, sondern in der Olympiahalle.
Das Sechstagerennen war die eigentliche Olympiapark-Veranstaltung, die wir selber organisiert haben. Das Highlight des Jahres, oft kamen wir der 100 000-Besucher-Marke nahe. Es ist leider aus der Mode gekommen, die guten Straßenfahrer sind nicht mehr auf die Bahn gegangen, die Doping-Problematik spielte eine Rolle – und irgendwann war das Konzept tot. Wir hatten in der Mischung aus Sport und Entertainment Elemente, die es sonst nicht gegeben hat – zu den Sixdays gingen die Leute auch, weil sie da einen Striptease sehen konnten.
Die Six Days als Sex Days – das war die Schlagzeile. 2009 fand das letzte Sechstagerennen statt.
Im Nachhinein hätte man früher die Reißleine ziehen müssen. Die letzten zwei, drei Jahre waren für uns, die wir die gesamte Entwicklung mitverfolgt haben, sicher traurig. In den 38 Jahren habe ich übrigens keine Nacht verpasst
Welche Zukunft sehen Sie für den Olympiapark?
Er wird auf alle Fälle da sein, dazu ist er viel zu fest ins Geschehen in München eingebunden. Es ist notwendig, dass die Stadt weiter zum Park steht, vor allem, was die Renovierungen betrifft. die anstehen. Nach Olympiahalle und Schwimmhalle sind das Stadion und der Turm dran. Man muss natürlich auch das Umfeld im Auge behalten. Dass große Open Airs – in diesem Jahr ist es den Umständen geschuldet – nach Riem rausgehen, muss man beobachten, ebenso, ob die Pläne für den Bau einer neuen Halle draußen am Flughafen realistisch sind. Doch wie der Park in die Stadt eingebunden ist, das ist einmalig. Er wird immer seine große Bedeutung für München haben, ein Wahrzeichen sein, aber die Konkurrenz wird größer werden.
Interview: Günter Klein