Schwitzstart für die Eishockeyclubs

von Redaktion

„The Boys Are Back in Town“: In der DEL beginnt bei über 30 Grad die Vorbereitung – Fehlprognose auf Spielermarkt

München – Die berühmteste Eishockey-Trophäe der Welt wurde über deutsches Eis getragen. Im Augsburger Curt-Frenzel-Stadion glitzerte die Spielfläche bereits verheißungsvoll, als der ehemalige Jugendspieler Nico Sturm (27), durch den Stanley-Cup-Gewinn mit dem NHL-Team Colorado Avalanche über die Pucksport-Nische hinaus berühmt geworden, der Heimatstadt am Samstag seine Aufwartung machte. Kalt war es in der Halle, viele der 2000 Besucher, in kurzen Hosen und T-Shirts gekommen, bibberten. An Eishockey mitten im rekordträchtigen Hochsommer überhaupt zu denken – verrückt, aber tatsächlich geht es schon wieder los. Die letzten Tage im Juli sind traditionell die, in denen es heißt: „The boys are back in town.“ Die ausländischen Spieler, die knapp die Hälfte der Kader ausmachen, kommen eingeflogen, es stehen medizinische Untersuchungen und Leistungstests an, die neuen Ausrüstungen werden ausgegeben. Und die ersten Fragen warten auf eine Antwort.

Hat sich der Spielermarkt verändert? Man hatte mit einem tiefen Einschnitt durch den russischen Krieg in der Ukraine gerechnet. Die These lautete: Vor allem Nordamerikaner würden 2022/23 nicht mehr in der Kontinental Hockey League (KHL) spielen können; sie verteilen sich auf die nächstlukrativen Märkte in Schweden, Finnland und der Schweiz und verdrängen dort auch ganz gute Spieler, die wiederum die Deutsche Eishockey Liga (DEL) bereichern. „Große Fehlprognose“, sagt Lothar Sigl, dienstältester deutscher Eishockey-Funktionär (seit 1987) und Hauptgesellschafter der Augsburger Panther, „Kanadier und Amerikaner spielen weiter in der KHL, die halbe Million Dollar nehmen sie mit.“ Sie müssten nur einen Weg finden, das Geld aufs sichere Konto zu bringen. 29 Nordamerikaner haben Verträge in der KHL unterzeichnet, manche wie Jeremy Bracco (bislang Krefeld) und Jesse Graham (Augsburg) spielen sogar erstmals in der KHL. Auch der ehemalige Münchner Brooks Macek, Deutschkanadier und Olympia-Silbermedaillengewinner von 2018, stößt sich nicht an den weltpolitischen Bedenken: Er stürmt bis 2024 für Jekaterinburg.

Gibt es neue Trainer? Der Spielermarkt veränderte sich für die DEL also nicht großartig – wie sieht es bei den Trainern aus? Auf neuen Impact setzen Ingolstadt (Mark French), Düsseldorf (Roger Hansson) und Augsburg (Peter Russell). Schwenningen engagierte den in der DEL wohlbekannten Harold Kreis (aus Düsseldorf), die Frankfurter Löwen wurden von ihrem Aufstiegstrainer Bo Subr verlassen, es übernahm Gerry Fleming – aber der war früher zumindest schon Assistenzcoach bei den Eisbären Berlin. Bemerkenswert: Zehn der 15 Clubs gehen mit dem Trainer in die neue Saison, mit dem sie die alte beendet haben. In einem Fall ist das überraschend: Bei den Adlern Mannheim blieb der nur als Übergangslösung vorgesehene Bill Stewart.

Wer wird favorisiert? Eindeutiger denn je der EHC München, der – fast FC-Bayern-like – sich selbst wesentlich verstärkt und die beiden härtesten Konkurrenten entscheidend geschwächt hat, indem er Meister Berlin Torwart Mathias Niederberger und den Grizzlys Wolfsburg (Dritter) Topstürmer Chris DeSousa ausspannte. Verteidiger Ryan McKiernan (aus Schweden) war 2021 Playoff-MVP in der DEL (mit Berlin). Die Eisbären Berlin verloren neben Niederberger ihren besten Verteidiger Kai Wissmann, der bei den Boston Bruins eine NHL-Chance bekommt. Und Münchens ewiger Widersacher Mannheim? DieTitel-Fantasie ist ohne den Antreiber Pavel Gross, von Clubchef Daniel Hopp vorige Saison gefeuert, dahin.

Ist die Saison gefährdet? Die Sorge, dass Eishallen geschlossen werden könnten, weil sie Energiefresser sind, ist greifbar. Eine Reaktion auf die Energie-Problematik: In den Eisstadien wird die Temperatur des Eises erhöht. Das spart Kosten, wird aber die Qualität beeinträchtigen. Erste kritische Kommentare von Spielern und Trainern sind absehbar, wenn in den kommenden Tagen die Schlittschuhe auf die glitzernde Fläche gesetzt werden.

GÜNTER KLEIN

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