Le Castellet – Selbst Max Verstappen verspürte nach dem nächsten fatalen Ausrutscher von Ferrari-Star Charles Leclerc so etwas wie Mitleid. „Unser Vorsprung ist größer, als er sein sollte, wenn man auf das Potenzial der Autos schaut“, sagte der Formel-1-Weltmeister und klang dabei fast so, als müsste er sich für sein komfortables Polster von nun 63 Punkten schämen.
„Ferrari ist sehr schnell, ein sehr, sehr schnelles Auto“, betonte der Red-Bull-Pilot nach dem Großen Preis von Frankreich: „Wir haben noch einige Arbeit vor uns, und die werden wir angehen.“
Mehr Arbeit wartet allerdings auf die Scuderia und Leclerc, und die gnadenlosen italienischen Medien zweifeln langsam an einem Happy End. „Die Unsicherheit Leclercs wird zur Unsicherheit des gesamten Teams“, urteilte Corriere dello Sport: „Ein unsicherer Champion kann zwar ein großartiger Pilot, aber kein Leader sein.“
Auch nach dem 12. von 22 Saisonrennen bleibt der Eindruck, dass die Roten ihre Chance leichtfertig vergeben. „Die WM ist für Ferrari komplizierter geworden, der Titel ist jedoch nicht verloren“, schrieb La Repubblica. „Inakzeptable“ Fehler, wie Leclerc seinen folgenschweren Patzer nannte, hinterlassen aber „tiefe Spuren“ (Corriere della Sera) und „zerstören Träume“ (Tuttosport).
„Das Auto hatte das Tempo, um das Rennen zu gewinnen, aber wenn diese Fehler passieren, gibt es keinen Grund dafür, auf diesem hohen Level zu fahren“, sagte Leclerc enttäuscht. Immerhin übernahm er die Verantwortung für den nächsten Rückschlag. Teamchef Andrea Binotto wollte dennoch „optimistisch sein“ und „positiv auf die Zukunft blicken. Unser Paket ist sehr stark, tolle Fahrer, ein schnelles Auto“, sagte er. Es bleibt die Frage: Wieso nutzt die Scuderia dieses riesige Potenzial nicht zuverlässig und bietet Red Bull damit einen echten Titelkampf?
Vielleicht ist es für Ferrari gar nicht schlecht, dass schon am kommenden Wochenende das nächste WM-Rennen vor der Sommerpause auf dem Programm steht. Ein Sieg wäre allein für die Moral ungemein wichtig, denn natürlich nagen die wiederkehrenden Fehler am Selbstverständnis.
Das weiß auch Verstappen, der dem Konkurrenten prompt für das Rennen in Budapest die Favoritenrolle zuwies. „Dort könnte es schwierig für uns sein. Auch in Ungarn wird es hart werden, vor Ferrari zu landen“, prognostizierte er und forderte im Qualifying eine Steigerung: „Wir müssen Performance auf einer Runde finden und immer Punkte holen – auch an schlechten Tagen.“