Auf der Suche nach weißen Flecken

von Redaktion

INTERVIEW Ralf Dujmovits hat alle Achttausender bestiegen – heute reizt ihn das nicht mehr

Ralf Dujmovits (60) ist der bisher einzige Deutsche, der auf allen 14 Gipfeln mit über 8000 Meter Höhe stand. Am Freitagabend wird im Po-pup- Sommerkino in München erstmals der Film „Oben angekommen“ über ihn vorgeführt, im Rahmen des Bayerischen Outdoor Filmfestivals. Im Gespräch mit unserer Zeitung hat der gebürtige Bühler verraten, warum er inzwischen immer seltener auf den allerhöchsten Bergen unterwegs ist und was ihm weiße Flecken auf der Landkarte für ein Gefühl geben.

Herr Dujmovits, der Filmtitel „Oben angekommen“ klingt ein bisschen nach „Ziel erreicht“. Aber die sportlichen Ziele sind Ihnen noch nicht ausgegangen, oder?

(lacht) Auch wenn ich inzwischen in einem Alter bin, in dem man nicht noch mal eine Schippe drauflegt, bin ich immer noch ehrgeizig. Allerdings hat sich der Ehrgeiz inzwischen mehr aufs Sportklettern verlagert. Aber oben angekommen bezieht sich auch darauf, dass ich entspannt unterwegs sein kann und ein gutes Lebensgefühl genieße, mit dem Gefühl, im Rückblick das meiste richtig gemacht zu haben.

Wie ist es zu der Verlagerung zum Sportklettern gekommen?

Ein Stück weit hat sich das durch meine kanadische Frau Nancy (Hansen, Anm.) entwickelt. Sie ist auch eine sehr erfahrene Alpinisten und hat in Kanada viel gemacht, ich kenne beim Bergsteigen das meiste in den Alpen. Aber wir haben festgestellt, dass es im Kletterbereich noch sehr viel Spannendes gibt, was wir machen können.

Ist das nicht eine sehr große Umstellung? Von den 8000ern in die Alpen zurückzukehren?

Der Prozess ist eigentlich ähnlich, wenn man Expeditionen mit schwierigen Kletterrouten vergleicht. Das klingt zwar komisch, aber das Vorbereiten, Ausforschen der Details, Rückschläge zu haben, es immer wieder zu versuchen und dann irgendwann zu schaffen, ist ähnlich. Auch wenn es eine 40 Meter lange Route ist, die man Rotpunkt klettert – also ohne an Haken und Karabinern zu ziehen, sondern nur an dem, was der Fels einem gibt –, und nicht ein 8000er Gipfel. Die Begeisterung ist die gleiche. Allerdings möchte ich da jetzt nicht mit irgendwelchen Schwierigkeitsgraden angeben, weil das zu weit weg ist von dem, was die guten Leute klettern.

Trotzdem ist die Begeisterung dieselbe? Als Extrembergsteiger gehören Sie zur Weltelite, beim Klettern sind Sie weiter weg…

Sehr weit, um genau zu sein (lacht). Aber ich habe gemerkt, dass das was uns zufrieden macht, nicht Rekorde oder Höchstleistungen sind. Sondern, dass wir da unterwegs sind, wofür wir brennen, was uns am meisten Spaß macht und dort dann eben in unserem Rahmen gut sind. Für die einen ist das eine Mehrtageswanderung, und für mich ist es jetzt das Sportklettern. Die Gipfel waren früher das richtige für mich. Aber im Rückblick sind es die Erlebnisse und die Zeit drum rum mit guten Kollegen und meiner früheren Frau (Gerlinde Kaltenbrunner, österreichische Bergsteigerin, Anm.), die geblieben sind, und das ist das, was zählt.

Hat die Lust an den ganz hohen Gipfel dann abgenommen, während die für das Klettern gestiegen ist?

Es hat sich schon viel verändert. Der Tourismus, den es am Everest gibt, gibt es inzwischen auch am K2. Ich bin dort drei Routen gegangen und früher hat man an diesem Berg nur die absoluten Topleute getroffen. Nun wird der Berg verkabelt und eine der Routen wird zum Klettersteig. Zwischen letzten Freitag und Sonntag waren fast 200 Leute auf dem Gipfel, früher hat es nach der Erstbesteigung 50 Jahre gedauert, bis 200 Leute oben waren. Daran merkt man: Diese Zahlen und Namen sind nur Schall und Rauch. Mir ist wichtiger, dass ich Spaß habe, an dem was ich mache und im Moment lebe.

Aber ganz haben Sie sich vom Himalaya noch nicht verabschiedet…

Ich habe das Ziel, einmal im Jahr noch in den Flieger zu steigen und dort oder im Karakorum zu sein, es zieht mich schon immer noch dorthin. Allerdings interessieren mich nun mehr 6000er und 7000er, da gibt es in Pakistan noch einige unbestiegene. Vergangenes Jahr haben sich meine Frau und ich alleine, nur begleitet von einem befreundeten pakistanischen Koch, den ich seit 20 Jahren kenne und der auf das Lager aufpasst, zum Beispiel am Biarchedi I (6781 Meter, Anmerkung) versucht. Wegen des schlechten Wetters haben wir den Berg eigentlich kaum gesehen und mussten dann aufgeben.

Eine Enttäuschung?

Natürlich wäre es schön gewesen, am Gipfel zu sein. Aber das Gefühl, in völliger Abgeschiedenheit unterwegs zu sein, ein Tal, das man zuvor über Google Earth ausgekundschaftet hat, das erste Mal richtig zu sehen, sein Zelt dort aufzuschlagen, wo es noch niemand gemacht hat, und dann eine Route zu suchen, die noch niemand gegangen ist – das ist so oder so einzigartig. Auf weißen Flecken auf der Landkarte unterwegs zu sein, das genieße ich wirklich sehr.

Gibt es schon Pläne, für die nächste derartige Expedition?

Die gibt es für diesen Herbst, aber das möchte ich noch nicht groß an die Glocke hängen.

Warum?

Weil ich gemerkt habe, dass man dann nicht so entspannt, unterwegs ist und sich Druck aufbaut. Früher bin ich vom Ankündigungsalpinismus auch nicht ganz verschont geblieben und war da dabei, aber jetzt möchte ich das in aller Ruhe machen. Wenn es jemanden dann interessiert, kann man danach davon erzählen.

Interview: Thomas Jensen

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