München – Yousoufa Moukoko mit 16, nun Mathys Tel mit 17 – die Talente kommen immer jünger in den Profibereich. Das rückt vor allem die Trainer immer mehr in die Verantwortung – findet der Pädagoge und Erfolgsautor Matthias Jung („Erziehungsstatus kompliziert“, Edel Verlag).
Herr Jung, Ihr Spezialgebiet ist Pubertät. Was ist für Sie Pubertät?
Das ist die spannendste Phase des Lebens. Man verschwindet im Nebel und kommt als Erwachsener wieder raus. Es ist die Phase, in der man feststellt, dass die Eltern doch nicht so cool sind, wie man geglaubt hat.
Kann der Trainer der Ersatzheld sein?
Naja, beim Ersatzheld denke ich eher an jemanden wie Cristiano Ronaldo. Der fährt coole Autos und schießt tolle Tore. Der steht da praktisch auf einem Schild. Das tut der Trainer nicht. Und trotzdem ist der Trainer eine wichtige Figur mit enormem Einfluss. Wenn er es richtig macht.
Was heißt das?
Wichtig sind Einzelgespräche. Dass ein Trainer eine Verbindung aufbaut. Auch mal fragt: ‘Wie geht es daheim.’ Und die Ansprachen müssen emotional sein. Bei jungen Menschen ist das Glückshormon Dopamin reduziert. Aber wer sie packt, für den gehen sie durchs Feuer. Ich hatte in meiner Zeit einen Trainer, der enorm motivierend war. Der hat bei der Polizei gearbeitet. Der hat es geschafft, dass ich zeitweise auch zur Polizei wollte.
Wie funktioniert die richtige Ansprache?
Kurze, knackige Sätze. Teenager mögen keine Nebensätze. Man darf nichts zerlabern. So junge Sportler können auch noch keine Konsequenzen ihrer Handlungen einordnen. Das schaffen die noch nicht. Ein Teenager denkt nicht daran, dass die Mannschaft vielleicht die Champions League gewinnt. Der schaut auf sich, auf seine Performance, dass er viele Tore schießt.
Wie verträgt sich das etwa mit den Nachwuchs-Internaten von Profivereinen, in denen Funktionieren gefragt ist?
Diese Internate haben im Allgemeinen eine ganz gute Struktur, man ist mit Seinesgleichen zusammen. Das funktioniert normalerweise schon ganz gut. Aber klar ist auch: Kinder müssen auch Kinder sein und auch mal Quatsch machen und ausbrechen dürfen. Ich hoffe schon, dass es diese Freiheiten in den Internaten auch gibt.
Und wenn Teenager in eine Erwachsenenwelt kommen? Youssoufa Moukoko kam mit 16 in Dortmunds Profikader. Mathys Tel nun mit 17 zum FC Bayern.
Das kann individuell sehr unterschiedlich sein. Manche Teenager sind da schon sehr weit und kriegen das problemlos hin. Es kann passieren: Körperlich sehr weit, aber die Seele ist noch ein Kind. Aber wichtig ist, dass diese Jungen einen Leuchtturm an der Hand haben, eine Hauptbezugsperson, an der sie sich festhalten können. Das sind dann im Zweifel halt doch wieder die Eltern. Und für den Trainer ist es wichtig, den richtigen Zugang zu haben. Ein Gespür zu entwickeln, wie man diese Jungs anspricht.
Man ahnt: Nicht wie der traditionelle „Schleifer“.
Junge Spieler nehmen Trainertypen, wie es ein Felix Magath war, nicht mehr so ernst. Wer alles auf Angst aufbaut, ist nicht gut beraten. Druck erzeugt Gegendruck.
Also weniger Magath, mehr Jürgen Klopp?
Ja, Klopp hat etwas, was man gerade wieder gesehen hat, als Mané ging. Da hat er ein paar Dinge gesagt, die gezeigt haben: Die beiden kannten sich, die haben eine Beziehung. Aber auch ein Thomas Tuchel. Der hat sicher noch größeren Fußballverstand. Und irgendwann hat er es gelernt, Beziehungen aufzubauen. Und nun kann er auch mit Spielern wie Mbappé oder Neymar.
Interview: Patrick Reichelt