Unabhängig davon, wie das Traumfinale gegen England endet, haben die DFB-Frauen bei dieser Europameisterschaft eines erreicht: Deutschland spricht über sie. Zwölf Millionen Menschen, fast 60 Prozent davon übrigens männlich, haben das Halbfinale gegen Frankreich, Anpfiff um 21 Uhr, gesehen und bescherten dem ZDF knapp 50 Prozent Marktanteil. Am Sonntag werden um 18 Uhr wohl noch ein paar mehr vor den Bildschirmen die Daumen drücken. Zum Vergleich: Beim letzten großen Turnier, der WM 2019, verfolgten sechs bis acht Millionen die deutschen Spiele.
Zahlen, die verheißungsvoll klingen, letztlich aber im krassen Gegensatz zur Ligarealität von Wolfsburg, Bayern & Co. stehen. Dort sind 200 000 Zuschauer schon ein Topwert. Will meinen: Für das Quotenhoch ist zum größten Teil das Phänomen Turnier „verantwortlich“. Und klar, je weiter eine deutsche Mannschaft kommt, desto größer wird das Interesse.
Und dennoch: Alexandra Popp & Co. haben in den bisherigen fünf Turnierspielen begeistert. Mit ihrer offenen Art und auch mit ihrer Spielweise, die an Athletik und Dynamik gewonnen hat und über die ein oder andere technische Unzulänglichkeit hinwegsehen lässt. Den Fehler, ihre Darbietungen mit dem Männerfußball zu vergleichen, darf man ohnehin nicht machen. Schließlich wirft man Tennis-Ass Iga Swiatek auch nicht vor, nicht so schnell und hart aufzuschlagen, wie Rafael Nadal. Oder Leichtathletik-Heldin Malaika Mihambo, dass sie über einen Meter kürzer springt als Herren-Weltmeister Wang Jianan.
Besser oder schlechter, um die Frage sollte es überhaupt nicht gehen. Sondern auch 30 Jahre nach der ersten offiziellen Frauen-WM um Akzeptanz. Das sei nicht „der richtige“ Fußball oder „ein ganz anderer Sport“ – wenn solche Aussagen verschwinden würden, wäre schon viel gewonnen. Und was das ebenso heiß diskutierte Geld angeht: Ein bisschen mehr für die Frauen und viel, viel weniger für die Männer, das wär’s. Denn davon würde am Ende auch noch die Nicht-Fußball-Sportwelt profitieren. Die Herausforderung der finanziellen Wertschätzung hat der Frauenfußball nämlich nicht exklusiv.
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