London – Im legendären Wembley die Party crashen, den EM-Thron zurückerobern – und zur Krönung mit dem Kanzler feiern: Die deutschen EM-Heldinnen um Torgigantin Alexandra Popp sind heiß auf das Final-Spektakel der Superlative vor fast 90 000 Fans gegen England.
„Wir wollen Wembley zum Schweigen bringen“, lautet die forsche Ansage der DFB-Kapitänin vor dem Showdown mit den Lionesses im ausverkauften Hexenkessel am Sonntag (18.00 Uhr/ARD und DAZN). Auch Mittelfeld-Abräumerin Lena Oberdorf kann das letzte Kapitel des EM-Märchens kaum erwarten: „Wir spielen nicht nur gegen England, sondern gefühlt gegen die ganze Nation. Das ganze Stadion wird gegen uns sein. Das sind die schönsten Spiele.“
Mit dem achtmaligen Rekordmeister fiebert Olaf Scholz in London. Genau wie Innenministerin Nancy Faeser (SPD), DFB-Präsident Bernd Neuendorf, Bundestrainer Hansi Flick und DFB-Geschäftsführer Oliver Bierhoff, Wembley-Held von 1996, drückt der Bundeskanzler auf der Tribüne die Daumen.
Während England mit seinem Edelfan Prinz William vom ersten großen Fußball-Triumph seit der Männer-WM 1966 träumt, will der frühere Abo-Sieger Deutschland erstmals seit 2013 wieder die Trophäe erobern. Noch nie hat die DFB-Auswahl ein EM-Finale verloren – auch die Engländerinnen bekamen den Nimbus 2009 zu spüren, als sie Deutschland im Endspiel in Helsinki 2:6 unterlagen.
Diesmal gilt England unter Erfolgstrainerin Sarina Wiegman mit dem großen Heimvorteil im Rücken als leichter Favorit. Doch Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg, die ihre Abwehrchefin Marina Hegering zur Belastungssteuerung im Training am Freitagvormittag schonen musste, hat auch Schwachstellen ausgemacht: „Die ersten 30 Minuten gegen Schweden (4:0 im Halbfinale, d. Red.) haben gezeigt, dass man ihnen wehtun kann.“
Wie entspannt die Atmosphäre im Team ist, zeigt eine Szene vom Freitag. Kapitänin Popp kam mit aufgeklebtem Schnauzbart und umgedrehter Baseball-Kappe zur Pressekonferenz – das Satire-Magazin Postillon und das Portal FUMS hatten sie bei Twitter so gezeigt und geschrieben, sie solle als „Alexander Bopp“ auch zur Männer-WM fahren.
„Wir haben beim Frühstück rumgescherzt und gesagt, dass wir das durchziehen“, berichtete sie über ihre Verkleidung: „Deswegen sitzt Lina Magull auch da hinten, sie wollte es nicht glauben.“ Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) habe „gute Physios mit Kinesiotape, daraus habe ich mir schnell einen Schnäuzer geschnitten“.
Klar ist: Die Neuauflage des Klassikers wird am Sonntag Maßstäbe setzen und Rekorde brechen. London wird wohl Zeuge der größten EM-Final-Kulisse der Geschichte. Bei den Männern liegt der bisherige Bestwert bei 79 115 (Madrid 1964). Popp, die nach Verletzungen bei ihrer ersten EM brilliert, hat noch ein zusätzliches Ziel. Mit sechs Treffern hat das 31 Jahre alte Kopfballungeheuer auch noch die Auszeichnung als EM-Torschützenkönigin im Visier – im Duell mit der englischen Topstürmerin Beth Mead (ebenfalls 6). Beide haben den 2009er-Rekord der ehemaligen DFB-Angreiferin Inka Grings eingestellt.
Wie es sich anfühlt, Englands Fußballtempel zu erobern, haben Popp und Co. Ende 2019 schon einmal geprobt. Beim Länderspiel vor fast 78 000 Fans gewann Deutschland 2:1 – damals brachte Klara Bühl mit ihrem Siegtreffer in der 90. Minute Wembley zum Schweigen. Die 21-Jährige vom FC Bayern München fehlt aktuell wegen einer Corona-Infektion, hofft aber, da sie keine Symptome hat, dass sie sich noch freitesten kann. sid