London – Almuth Schult kann sich freuen. Offenbar wird die deutsche Torhüterin beim US-Klub Angel City FC schon sehnsüchtig erwartet, sonst würde auf den Rängen ihres künftigen Arbeitgebers nicht bereits eine Deutschland-Flagge wehen. Mitbegründerin Kara Nortman (46) hat diese Bilder hochrangigen Gästen auf einem Uefa-Panel in London zum Abschluss der Frauen-EM präsentiert. Was eignet sich zur globalen Förderung des Frauenfußballs gerade besser als dieses hollywoodreife Pionierprojekt, von dem Klubpräsidentin Julie Uhrman sagt: „Wir wollen die Welt unterhalten.“ Die Kapitalgeberin Nortman klang am Grosvenor Square vergangenen Sonntag eher danach, die Welt verändern zu wollen.
Um mehr Gleichberechtigung geht es immer auch der vielfältig engagierten Schult, die sich ihrer Rolle als unermüdliche Vorkämpferin in England arg zurücknehmen musste. Als Ersatztorfrau gehörte es sich nicht, Interviews zu geben; außer einer Kolumne waren von der 31-Jährigen keine Statements zu vernehmen. Schult fliegt am Montag nun mit Ehemann und ihren Zwillingen nach Los Angeles. Sportlich gibt es einiges zu tun: In der bereits im Frühjahr begonnenen Saison in der Nations Women’s Super League (NWSL) krebsen die „Engel“ auf dem siebten Platz herum. Doch für die höchst erfolgreiche Unternehmerin Nortman sind andere Zahlen wichtiger.
16 000 Dauerkarten sind verkauft. Die Stimmung bei jedem Heimspiel ist prächtig, das Publikum bunt. Unter den 220 im Verein arbeitenden Personen seien 75 Prozent weiblich, 55 Prozent farbig, erzählte die Initiatorin. Auch wenn das Wappen in rosa gehalten ist, dominieren die Regenbogenfarben. Getreu dem Motto: „Wir können das Leben von Mädchen und Frauen in der Gesellschaft durch Fußball verbessern.“ Und dazu müssen, gerade in Hollywood, Geschichte mit Pathos erzählt werden. Nortman hat angeblich ein Abendessen in L.A. mit der Schauspielerin Natalie Portman gereicht, um das wichtigste Angel-Gesicht zu gewinnen. Deren Sohn hatte schließlich längst die US-Weltmeisterinnen Megan Rapinoe und Alex Morgan ins Herz geschlossen.
Inzwischen unterstützen die Sängerin Christina Aguilera, YouTube-Star Casey Neistat, Sängerin Becky G, die Skifahrerin Lindsey Vonn, Tennisstar Serena Williams, die US-Soccer-Ikonen Mia Hamm und Abby Wambach die Pionierinnen – und die Liste ist längst nicht vollständig. Schult taucht bald in ein Sammelbecken weltbekannter Persönlichkeiten ein. „Ich bin niemand, der Promis hinterherläuft, um ein Selfie zu machen, aber ich freue mich, wenn so bekannte Frauen kennenlernen darf“, sagte sie vor der EM.
Längst stehen die Sponsoren bei so viel Strahlkraft Schlange. Konzerne wie Nike leisten tatkräftigen Support. Mittlerweile seien 44 Millionen Dollar, so Nortman, auf diesem Weg zusammengekommen. Der US-Klub erlöst damit alleine so viel wie die gesamte Frauen-Bundesliga umsetzt. Zehn Prozent davon fließen generell bei allen Einnahmen an soziale Projekte zurück. Nun kann sich wegen der der deutschen Strukturen nicht einfach ein bunter Haufen ein Spielrecht in der Bundesliga erkaufen – Borussia Dortmund hat mit seinen Frauen bewusst ganz unten angefangen – aber darum geht es auch nicht. Auch Schult stellte die Haltung für ihren Wechsel heraus. So reizt die 64-fache Nationaltorhüterin einerseits zwar die sportliche Herausforderung („weil die amerikanische Liga super ausgeglichen ist“), anderseits die übergreifende Philosophie („dieser Verein hat einen Auftrag, den ich gerne begleite“). Wird sie bald sagen: gesucht und gefunden?
Die Angel-Idee entstand übrigens, als Nortman mit ihrer Tochter ein Spiel der Frauen-WM 2015 in Vancouver besuchte. Damals waren beide in Kanada begeistert, aber als sie in Kalifornien nach einem Klub suchten, fanden sie nur Brachland.