Moskau – Eingeschlossen in einem Käfig stand Brittney Griner vor Gericht und erwartete ihr Urteil, es traf den Basketballstar aus den USA trotz schlimmster Befürchtungen wie ein Hammerschlag. Wegen Drogenschmuggels muss Griner in Russland neun Jahre hinter Gitter, Richterin Anna Sotnikowa blieb nur sechs Monate unter der Forderung der Staatsanwaltschaft und nur ein Jahr unter der Höchststrafe. Seit Februar sitzt Griner in Haft, nun bleibt der 31-Jährigen aller Voraussicht nach nur die Hoffnung auf einen Gefangenenaustausch.
„Ich habe einen Fehler gemacht und hoffe, dass Ihr Urteil mein Leben nicht hier beendet“, flehte Griner. Doch das Gericht in Khimki kannte keine Gnade. US-Präsident Joe Biden nannte die Entscheidung in einer ersten Reaktion „inakzeptabel. Ich fordere Russland auf, sie unverzüglich freizulassen, damit sie wieder mit ihrer Frau, ihren Verwandten und Teamkollegen vereint werden kann.“
Staatsanwaltschaft und Verteidigung haben das Recht, Berufung einzulegen. Das Anwaltsteam der Amerikanerin kündigte diesen Schritt unverzüglich an, doch die Chancen dürften schlecht stehen, eine merkliche Reduzierung herbeizuführen.
„Ich fordere das Gericht auf, Griner für schuldig zu erklären und sie zu neun Jahren und sechs Monaten Gefängnis zu verurteilen“, hatte Staatsanwalt Nikolai Wlasenko Stunden vor dem Urteilsspruch verlangt. Maximalstrafe für ein solches Vergehen sind in Russland zehn Jahre Haft, das Gericht schöpfte seine Möglichkeiten nahezu komplett aus.
Zuletzt hatten die Vertreter der zweimaligen Olympiasiegerin noch einige Hoffnung verbreitet. „Wir erwarten ein eher mildes Urteil“, sagte Rechtsanwalt Alexander Boykow. Nun ist klar: Seine Einschätzung war ganz offensichtlich falsch.
Griner musste sich seit Prozessbeginn am 1. Juli wegen Verstößen gegen Drogengesetze verantworten, sie war am Moskauer Flughafen Scheremetjewo nach ihrer Ankunft aus den USA festgenommen worden, nachdem Sicherheitskräfte in ihrem Gepäck Vape-Kartuschen mit Cannabis-Öl gefunden hatten. Griner hatte sich zu Beginn des Gerichtsverfahrens zwar schuldig bekannt, absichtlichen Drogenschmuggel aber bestritten.
Wlasenko sagte, Griner sei „absichtlich“ durch den Korridor für Fluggäste gegangen, die nichts zu verzollen haben und habe dies auch erklärt, „um die Substanz zu verbergen“. Sie habe „schnell gepackt“ und auch nicht die Absicht gehabt, die Substanzen in Russland zu sich zu nehmen, erklärte dagegen Griner.
Boykow betonte, dass seine Mandantin Cannabis selbst in den USA nur „gelegentlich“ verwendet habe, um Schmerzen zu lindern. Dem Gericht war das egal, in Russland ist der Stoff auch für medizinische Zwecke verboten.
Griner, die als eine der weltbesten Basketballerinnen gilt, spielt (eigentlich) in der US-Profiliga WNBA für Phoenix Mercury und wurde 2014 mit dem Team Meister. Seit mittlerweile acht Jahren spielt sie in der WNBA-Pause für UMMC Jekaterinburg und gewann mit dem Topclub auch insgesamt viermal die Euroleague. Wenige Tage vor dem russischen Überfall auf die Ukraine flog sie nach Moskau – und wurde prompt zum politischen Spielball. Washington wirft Moskau ein politisch motiviertes Verfahren vor.
Biden hatte im Vormonat Kontakt zu Griners Ehefrau Cherelle aufgenommen und versichert, sich für die „schnellstmögliche Freilassung“ einzusetzen. Alle Bemühungen waren bislang erfolglos, aber es war auch klar, dass zunächst der Gerichtsprozess beendet werden würde.
Hinter den Kulissen wird verhandelt. Bei einem Telefonat zwischen US-Außenminister Antony Blinken und seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow ging es auch um die Möglichkeit eines Gefangenenaustausches, mit Hilfe dessen die Athletin freikommen soll. Griners Anwälte sind in diese Gespräche nicht involviert. Es deutet sich an: Der Fall Griner geht weiter. sid