München – Bei der WM im Juni in Rom gewannen Svenja Müller und Cinja Tillmann überraschend die Bronze-Medaille und retteten die sonst magere deutsche Bilanz. Auch bei der EM wollen sie glänzen.
WM-Bronze, Weltranglisten-Platz 5 – das klingt nach Druck vor der EM?
Cinja Tillmann: Ach nein, natürlich wollen wir bei der Europameisterschaft spielen, so gut wir das können. Aber wir denken eher von Punkt zu Punkt. Nicht an eine bestimmte Platzierung. Svenja Müller: Für mich ist es die erste Europameisterschaft bei den Erwachsenen. Ich freue mich vor allem auf die Erfahrung – auch noch vor eigenem Publikum.
Nach der WM hat Corona Sie beide ausgebremst. Sechs Wochen lang blieben Sie ohne Turnierauftritt. Fürchten Sie, dass die Spielpraxis fehlt?
Tillmann: Das ist kein Problem. Im Endeffekt wäre mit Gstaad ja realistisch nur ein Turnier infrage gekommen. Das haben wir ausgelassen. Aber wir hatten genug Zeit, uns körperlich fit zu machen. Und zuletzt hatten wir ja noch den Nations Cup in Wien. Von dem her passt das schon – wir freuen uns drauf.
Es gibt Trainer, die sagen, ein Beachteam vollends einzuspielen, dauert ein Jahr. Sie funktionieren nach weit kürzerer Zeit. Ist das normal, wenn das deutsche Toptalent auf eine der erfahrenen Spielerinnen im Geschäft trifft?
Müller: Wir sind einfach eine gute Mischung. Ich bin noch jung, Cinja ist eine ältere, erfahrenere Spielerin, noch dazu eine der besten Abwehrspielerinnen der Welt. Das passt einfach. Tillmann: Wobei man auch sagen muss, dass die Idee mit uns beiden nicht ganz neu ist. Wir hatten unser erstes Treffen schon 2019. Schon damals haben wir mit meinem Trainer Hans Voigt darüber geredet, ob wir es nicht einmal miteinander probieren. Damals ist es in eine andere Richtung gegangen, ich habe mit Kim Behrens gespielt.
Was ist jetzt anders?
Müller: Naja, vor allem bin ich jetzt mit der Schule fertig (lacht).
Frau Tillmann, Sie hatten sich der Zentralisierung im Deutschen Volleyball nicht anschlossen. Gemeinsam gehören Sie nun doch zum Stützpunkt Hamburg.
Müller: Es hat natürlich schon auch viele Vorteile. Die Wege sind kurz und wir sind bei unserem Trainer Kirk Pitman. Tillmann: Wobei es ja nicht so ist, dass wir nur in Hamburg trainieren. Wir arbeiten auch noch viel mit unseren Heimtrainern. Svenja mit Markus Dieckmann, ich mit Hans Voigt, der sich um mein Athletik-Training kümmert.
Ein Profiteam ist teuer und Kritiker sagen, dass man in Deutschland Erfolg haben muss, um es überhaupt finanzieren zu können. Spielt Ihnen ihre Entwicklung in die Karten?
Müller: Wir beschweren uns nicht (lacht). Klar hängt viel daran. Wir haben die Trainer, zwei Physios, eine Psychologin … aber wir haben die Bundeswehr, die ein großer Unterstützer ist. Wir haben die Sporthilfe, Sponsoren, Preisgelder – bis jetzt kommen wir ganz gut klar.
Ihr Blick geht in Richtung Olympia. Aber die Konkurrenz ist national eng. Vier deutsche Teams stehen unter den Top 20.
Tillmann: In Brasilien ist die Konkurrenz ja noch größer (6 Teams in den Top 20), aber dieser interne Wettkampf tut der Sache ja nur gut. Insofern hoffe ich sehr, dass die Entwicklung auch in Deutschland so weitergeht. Wir freuen uns darüber, wenn es viele starke Teams gibt, an denen man sich reiben kann.
In der Vergangenheit zogen Sie aber sogar vor Gericht. Weil Sie den Wettbewerb als nicht fair erachteten. Unter anderem weil der DVV bei der Vergabe von Wildcards Teams bevorzugte. Unter anderem Laura Ludwig mit Margareta Kozuch. Nun kommt es zu einer ähnlichen Konstellation mit Laura Ludwig und Louisa Lippmann. Fürchten Sie ein Déjá-vu?
Tillmann: Nein, denn der Weltverband hat etwas gegen das Problem gemacht. Damals war es ja so, dass die Startplätze bei den Turnieren begrenzt waren und man teilweise nicht starten durfte, auch wenn man in der Rangliste besser dastand. Das ist jetzt anders, jetzt dürfen beliebig viele Teams starten. So ist wirklich ein fairer Wettbewerb.
Zu den treibenden Kräften damals zählte unter anderem Sportdirektor Niclas Hildebrand. Er ist nun freigestellt. Erleichtert?
Tillmann: Wir haben das natürlich mitbekommen, dass da einiges passiert. Aber ganz ehrlich: Wir wollen uns mit diesen Dingen gar nicht weiter befassen. Unser Thema ist der Sport.
Und damit zur EM. Welche Rolle spielt sie in einem Jahr wie diesem?
Müller: Eine große. Eine EM vor eigenem Publikum, und dann noch mit all diesen anderen Sportarten rundherum. Das ist ein absolutes Highlight. Ich denke, das wird ein richtig schönes Fest.
Interview: Patrick Reichelt