München – Der Mannschaftsarzt sagte zum Geher Christopher Linke: „Aus medizinischer Sicht bist du einsatzfähig, aber mache dir keine Hoffnungen.“ Linke hatte sich bei der WM in Eugene Corona eingefangen, er blickt zurück: „Neun Tage lang war ich positiv, und drei Tage hatte ich es richtig dolle. Mir ist das Handy hinters Bett gefallen, und ich konnte es nicht alleine aufheben.“ So gesehen war es dann ein kleines medizinisches Wunder, dass der Potsdamer bei der EM erstmals eine Einzelmedaille gewann: Silber über die 35 Kilometer in persönlicher Bestzeit von 2:29:30 Stunden.
Wobei es nicht so war, dass er auf einer Wolke die Münchner Ludwigstraße hinauf- und hinuntergeschwebt wäre. „Ich hatte Schienbeinschmerzen, typische Geherkrankheit und musste bei Kilometer 6 und 10 Schmerzmittel nehmen“, und auch die letzten zehn Kilometer, auf denen sich sein Erfolg hinter dem Spanier Miguel Angel Lopez (2:26:49) andeutete, „konnte ich nicht genießen“. Letztlich führte der 33-Jährige seinen Erfolg darauf zurück, „dass ich locker reingegangen bin und mich vom Medaillendruck gelöst habe“. Er ist einer, der in seiner Karriere bei großen Events auf fünfte und mal einen vierten Platz abonniert zu sein schien.
Vielleicht fügte sich aber auch alles – man darf abergläubisch sein –, weil er am Vorabend den Marathon-Europameister Richard Ringer am Hotelfahrstuhl traf und dem früheren Zimmerpartner („Zu U 20-Zeiten“) zum Gold gratulierte. Ringer sagte: „Ich wünsche dir das Gleiche.“ Linke: „Ey, du hast gewonnen.“ Ringer: „Dann wünsche ich dir gute Beine – ich hatte keine.“ Und auch Geher Linke fühlte sich anfangs nicht gut: „Ein Glück, dass es extrem langsam losging. Die ersten zwei, drei Kilometer waren Eingehen.“
Fünfter wurde Jonathan Hilbert (2:32:44), der Silbermedaillengewinner von Tokio auf den 50 Kilometern, Die traditionsreiche längste Strecke der Leichtathletik wurde gestrichen und durch die 35 ersetzt – was die kleine Szene aufgewühlt hat. „Bei dem Erfolg, den ich hatte, ist es schmerzhaft, wenn einem die Strecke genommen wird. Es braucht ein, zwei Jahre, bis man sich auf eine Distanz eingegroovt hat. Letztes Jahr habe ich die 50 erstmals in Perfektion geschafft.“
Doch unzufrieden war Hilbert auch ohne EM-Medaille nicht: „Ich war nach Tokio mental ziemlich fertig, habe mit der neuen Saison spät begonnen, und sie verlief zäh. Alle zwei Wochen hat sich der Körper gemeldet.“ Vor einem Monat mit Corona, er war kurz vor Linke dran, reiste gar nicht erst zur WM.
Und nun sind sie zurück: die Corona-Boys.