Wo führt Deutschlands Formel-1-Hoffnung Mick Schumacher kommende Saison? Bleibt er bei Haas? Ein Gespräch mit Günther Steiner, 57, der das US-Team leitet.
Herr Steiner, Audi hat den Einstieg in die Formel 1 verkündet, allerdings das Team noch nicht benannt, das man kaufen will. Steht Haas zur Debatte?
Nein, Sie wissen ja auch, mit wem Audi kommt.
Sauber.
(lacht). Genau! Wir sind es jedenfalls nicht.
Das Hauptthema, um das es sich aktuell bei Ihnen dreht, sind die Fahrer. Mick Schumacher hat noch keinen Vertrag für 2023. Wovon hängt es ab, ob Sie ihn behalten wollen?
Am Ende auch vom Gefühl. Gehen wir das Risiko ein mit einem neuen Fahrer wie Daniel Ricciardo, der bei McLaren aber eine schwierige Zeit hinter sich hat? Oder bleiben wir bei einer bekannten Größe? Wenn Du beim Risiko gewinnst, stehst du als Held da. Sonst bist du der Volltrottel.
Aber wenn Sie sich bei anderen Piloten nicht so sicher sind, warum ist eine Verlängerung mit Mick Schumacher dann trotzdem keine Selbstverständlichkeit?
Wer sagt denn überhaupt, dass er gehen soll? Das sagen doch die Medien, nicht ich. Ich sage: Alles ist offen. Das heißt auch, dass Mick bleiben könnte. Jeder sagt, Mick geht und wir sollen Daniel nehmen. Wieso? Es geht darum, wer nächstes Jahr die beste Leistung für Haas bringen kann. Ganz simpel.
Was spricht für Mick?
Er muss Leistung bringen.
Okay, aber was spricht bisher für Mick?
Seine Leistungen in Kanada, Silverstone und Österreich. Die sprechen für ihn. Deswegen: Wir sind ja fair. Aber ich muss jetzt auch nicht schnell jemand bekannt geben, nur um die Öffentlichkeit zufrieden zu stellen.
Haben Sie denn keine Angst, dass Sie ihn an ein anderes Team verlieren könnten?
Angst habe ich nie.
Und Sorgen?
Nein. Wenn er gehen will, dann soll es so sein. Dann ist es unsere eigene Schuld, und dann werden wir eine andere Lösung finden.
Nach welchen Kriterien beurteilen Sie einen Fahrer?
Speed, Potenzial für die Zukunft, wie arbeitet er mit dem Team zusammen, wie harmonisch läuft es? Der größte Faktor ist Leistung.
Wie schnell ist Mick Schumacher?
Ich weiß es nicht.
Wie bitte?
Ich weiß noch nicht, wie konstant schnell er ist. Ich glaube auch nicht, dass er es selbst weiß, denn sonst würde er ja konstant Leistung bringen. Ich glaube, er muss weiter Erfahrung sammeln. Erfahrung ist aber nicht wie Schokolade. Erfahrung schmeckt nicht immer süß.
Wie gut ist er im Umgang mit dem Team? Er soll sich da vieles bei seinem Vater abgeschaut haben.
Ich habe mit seinem Vater nie gearbeitet, kann dazu deshalb nichts sagen. Wir müssen auch langsam von seinem Vater wegkommen: Mick ist eine eigene Persönlichkeit. Er kommt mit seinem Renningenieur sehr gut aus, mit dem Rest vom Team auch. Dahingehend macht er einen guten Job.
Der deutsche Fan fragt sich natürlich: Wer ist denn aktuell auf dem Markt, der besser sein könnte?
Wer besser ist, da muss ich nachdenken. Wenn ich es wüsste, würde ich ja die Entscheidung treffen. Das ist nicht so einfach. Ricciardo könnte besser sein, wenn er zurückfindet zu seiner alten Form. Wir wollen jedenfalls die besten verfügbaren Fahrer haben. Um Geld geht es nicht. Wir haben es letztes Jahr mit zwei Rookies probiert, als wir sowieso wussten, dass wir keine Punkte holen. Einer ist übrig geblieben. Das ist Mick. Und der muss jetzt halt beißen, um noch mal übrig zu bleiben. Meine Aufgabe ist herauszufinden: Wo liegt das größte Potenzial für HaasF1 mit dem kleinsten Risiko? Alle sind Risiken außer Lewis Hamilton oder Max Verstappen. Aber die kommen nicht.
Aber umgedreht wäre Mick dann ja das kleinste Risiko, weil seine Parameter bekannt sind.
Da muss ich Ihnen Recht geben. Von den Leuten, die auf dem Markt sind, ist er das kleinste Risiko. Das heißt aber noch lange nicht, dass wir das kleinste Risiko gehen wollen. Wenn Mick die nächsten drei Rennen fährt wie in Spielberg, ergibt sich die Entscheidung automatisch.
Inwiefern spielt der Name Schumacher bei der Sponsorenakquise eine Rolle?
Wenn Mick schnell ist, ist es sicher schön, den Namen zu haben. Aber ich sage es gerne noch einmal: Mick braucht nicht mehr im Schatten seines Vaters zu leben. Er kann er selbst sein. Das ist ja eine positive Entwicklung.
Teambesitzer ist Gene Haas. Wer trifft am Ende die Entscheidung?
Wir entscheiden es zusammen, wobei Gene mich logischerweise überstimmen kann. Wir sind uns aber immer einig geworden. Er hört auf meinen Rat. Wir reden in Ruhe, wenn er nach Zandvoort und Monza kommt. Wir sitzen dann stundenlang am Frühstückstisch und nehmen uns Zeit. Das ist keine Sache, die man am Telefon bespricht. Und sollten wir noch keine Lösung haben, kann ich nach Monza auch in die USA fliegen.
Das heißt: Die Entscheidung fällt Mitte bis Ende September?
Netter Versuch. Schauen wir mal.
Interview: Ralf Bach