München – Ob es jetzt gut oder schlecht ist, dass Matthias Sammer auf den FC Bayern tippt, ist Auslegungssache. Der ehemalige Sportvorstand des FC Bayern traut Union Berlin durchaus zu, dem Tabellenführer aus München an diesem Samstag (15.30 Uhr) in der Alten Försterei das Leben schwer zu machen, geht aber von einem Favoritensieg aus. Günstig für die Tabellenzweiten aus Berlin ist jedoch, dass Sammer seiner Prognose noch einen Zusatz hinterherschickte: „Ich liege beim Tippen immer falsch.“
So oder so, alles Vorgeplänkel. Nette Geschichten rund um ein Spiel, das selbst Experten vor der Saison nicht unbedingt als Topspiel auf der Uhr hatten – das die Fußballrepublik aber nun interessiert. „Bayern-Jäger“ wird Union Berlin ja aktuell genannt, ein Schicksal, das zu Beginn einer Saison schon einige Mannschaften geteilt haben, die am Ende mit der Vergabe der Meisterschale rein gar nichts mehr zu tun hatten. Es schmeichelt natürlich, beflügelt. Und tatsächlich haben die Verantwortlichen aus der Hauptstadt auch in den vergangenen Tagen gar nicht daran gedacht, sich kleiner zu machen, als sie sind.
„Was braucht es? Mut, Mut, viel Mut“, sagte Trainer Urs Fischer, der weiß: „Wenn du nur dem Ball hinterherläufst, nur verteidigen musst gegen sie, dann kann man das fast nicht lösen.“ Der Schweizer freue sich „wahnsinnig auf das Spiel“, sieht das Duell der noch ungeschlagenen Mannschaften als „tolle Aufgabe“. Verstecken will sich sein Team im ausverkauften Hexenkessel von Köpenick nicht. Das Selbstvertrauen ist nach saisonübergreifend elf Liga-Spielen ohne Niederlage groß. Letztmals als Verlierer ging Union im März vom Platz. 0:4 – in München.
Dass sie gegen große Teams bestehen können, haben die Eisernen erst vor zwei Wochen beim Sieg gegen Leipzig gezeigt. Während des 2:1 ließen sie zwar RB das Spiel gestalten, standen aber hinten sehr sicher und kamen durch blitzschnelle Konter zu Toren. Das Offensiv-Duo Sheraldo Becker und Jordan Siebatcheu harmoniert bestens, hat gemeinsam bereits sechs Bundesliga-Tore auf dem Konto. Fischer sieht sogar noch „Luft nach oben“.
11, 7, 5 – und aktuell 2: Unions Liga-Platzierungen seit dem Aufstieg 2019 lassen eine klare Entwicklung erkennen. Sogar vom Tegernsee gab es dafür zuletzt Lob. „Sehr sympathisch“ seien die Berliner sagte Bayerns Ehrenpräsidenten Uli Hoeneß: „Die machen einen super Job!“ Auch Julian Nagelsmann war gestern voll des Lobes. Das galt nicht nur der Arbeit auf dem Platz, sondern auch jener hinter den Kulissen. Die Taktik, günstig Spieler zu verpflichten und zu entwickeln, kompensiert namhafte Abgänge regelmäßig. Und Fischer macht seinen Job so gut, dass eine Verlängerung bevorsteht. Darauf, dass der Kontrakt des Coaches bald über 2023 hinaus ausgedehnt wird, könnte sogar Sammer wetten. Dann läge er mal richtig… HANNA RAIF