Augsburg bäumt sich nicht mehr auf

von Redaktion

FCA: Verflogene Aufbruchstimmung und Zweifel an der Spielidee, dazu prekäre personelle Lage

Augsburg – Kritisiert wird nicht nur im Internet, sondern ganz klassisch noch auf Papier. In der „Augsburger Allgemeine“ erschien neulich ein Leserbrief zur Lage beim Fußball-Bundesligisten FC Augsburg, in dem jede Menge Stammtisch-Rhetorik abgeladen wurde: „. . . der Trainer dann nicht bundesligatauglich, wie zurzeit“, Ricardo Pepi ein „auf die Dauer unbrauchbarer ,Amateurspieler’ aus den USA zu einem Fantasie-Euro-Preis“. Und überhaupt: „Viele Fehleinkäufe“, „arroganter Umgang mit den Spielern“, „Konzeptlosigkeit“. Geschrieben hatte den Brief nicht irgendwer, sondern Professor Ignaz Walter. Der war früher Augsburgs Baulöwe, ein Mann, der sich rühmte, Rathauspolitik mitzubestimmen, ein früher Influencer also. Zwar mehr Kultur- als Sportsponsor – doch zum FCA hat er eine klare Meinung. Keine gute. Das sagt einiges aus über die Stimmung in der Stadt.

Sie hat sich auch nicht verbessert, nachdem der Club den 16,3 Millionen Euro teuren US-Boy Ricardo Pepi erst einmal an den FC Groningen in den Niederlanden verliehen und durch Mergim Berisha, einen deutlich präsenteren Stürmer, ersetzt hat, der bei seinem Debüt gegen Hertha BSC ansprechende Szenen hatte. Doch Augsburg verlor 0:2, und – was selten vorkommt – das Publikum war empört. „Ich bin das vierte Jahr hier. So wurden wir von den eigenen Fans noch nie niedergepfiffen“, sagt Florian Niederlechner. Der ist bekannt dafür, dass er seine Meinung nicht hinter diplomatischen Floskeln versteckt. „Man merkt, dass wir keine gute Stimmung haben. Wir haben drei Heimspiele in Folge verloren“ – gegen Freiburg (0:4), Mainz (1:2) und nun Hertha (0:2) –, „bei allem Respekt: Das ist nicht Bayern, Dortmund, Leipzig. Und wir hatten drei Spiele keine Torchance.“

Daraus kann man Kritik lesen, dass der neue Trainer Enrico Maaßen zu wenig auf ihn setzt und wie am Sonntag nur einwechselt, doch Niederlechner bezieht sich auch auf die angesagte Spielidee: Mehr Ballbesitz, Aufbau durch die Mitte. Er vermisst „die langen Bälle auf André Hahn, da passierte was“. Nun geschah kaum etwas, auch Sport-Geschäftsführer Stefan Reuter war irritiert: „Das 0:1 hat mit den Jungs was gemacht. Da war kein Aufbäumen.“ Das galt als Augsburger Markenzeichen. „Wir waren eine Heimmannschaft“, sagt Niederlechner. Es klingt nach Vergangenheit. So wie jetzt agiert werde, „ist es unfassbar schwer für uns Offensivspieler“.

Es gab schon nicht mehr ganz diskrete Schuldzuweisungen. Enrico Maaßen nannte Namen, als er von „leichten technischen Fehlern“ und „falschen Entscheidungen“ sprach. Der junge Trainer listete jedoch auch auf, auf wen er derzeit verzichten muss: In der Abwehr auf Reece Oxford und Felix Uduokhai, mit denen man Lufthoheit hätte, auf Niklas Dorsch im Zentrum, kurzfristig auf Iago auf Außen und Frederik Jensen im Sturm. Arne Maier musste „mit dickem Knöchel“ zur Halbzeit raus, Carlos Gruezo schon zuvor, da Rot-gefährdet. Reuter: „Lauter Stammspieler.“

Die mit Enrico Maaßen verbundene Aufbruchstimmung hat sich verflüchtigt, schnell ist der FCA wieder in den Überlebenskampfmodus geraten. Er muss sich sammeln vor dem nächsten Spiel, am Freitag in Bremen. „Werder hat komplett die Euphorie aus dem Aufstieg mitgenommen“, so Niederlechner. Sein Blick geht noch einen Spieltag weiter: „Wir wissen, wer danach kommt und wie die drauf sind.“ Ja, die Bayern. Und sie kommen nicht nur am 17. September in der Liga, sondern im Oktober auch noch im Pokal. Verzweifeltes Schon-wieder-Seufzen beim FCA. Dass es diese Paarung in der zweiten Runde des Wettbewerbs schön öfter gab, weiß auch der aus dem Wesen zugezogene Maaßen: „Das erwartete Los.“ Der Gag zumindest sitzt. GÜNTER KLEIN

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