Tag des Trainerbebens

Leipzig bräuchte einen Tuchel

von Redaktion

GÜNTER KLEIN

Was für Zeiten! Ein erster Spieltag in der Champions League, die Saison noch in zarter Blüte – und dann dieses Trainerbeben fast schon im Stundentakt: Domenico Tedesco in Leipzig entlassen, Thomas Tuchel beim FC Chelsea. Die Online-Portale überschlugen sich am Mittwoch: Was ist sensationeller, was muss nach oben?

Objektiv geurteilt: Chelsea/Tuchel ist der massivere Einschlag. Thomas Tuchels Karriere wird zwar davon geprägt, dass seine Arbeitsverhältnisse nirgendwo in vollständiger Harmonie enden und zwischen ihm und anderen, die Verantwortung tragen, Reibung entsteht, die irgendwann nicht mehr auszuhalten ist – doch es gab in England auch eine verbindende Vorgeschichte. Tuchel war der wesentliche Faktor beim Gewinn der Champions League 2021, und souverän und mit Witz manövrierte er die Mannschaft durch Stürme, die nicht der Sport, sondern die Politik ausgelöst hatte, als die Zukunft des Clubs durch die Sanktionen gegen den russischen Besitzer Roman Abramowitsch völlig ungewiss war. Jetzt sortiert sich Chelsea neu, der Start in die Premier League war nicht optimal – doch Tuchel muss zu einem Zeitpunkt gehen, an dem er in der Tabelle vor Jürgen Klopp steht. Aber das ist auch ein interessanter Vergleich: Beide sind fachlich exzellent – Klopp jedoch ist geschmeidiger, kommunikativer und unterm Strich der Bessere.

Aus Domenico Tedesco wird man noch nicht schlau. In den guten Phasen seiner Karriere schien er vom Trainertalent nahe an Julian Nagelsmann zu liegen, doch in Krisen kann er nicht gegensteuern, vielleicht fehlt da doch die Erfahrung aus einer Spielerkarriere.

In Leipzig war sein Pech: Er geriet an einen „Verein“, der entgegen landläufiger Meinung halt doch nicht herausragend gut arbeitet. Trotz der Red-Bull-Subventionen stagniert das Projekt, das – darf man nie vergessen – alleine einer Marketingmission und daher einer bestimmten Ausrichtung bei Kaderbesetzung und Spielstil folgt. Mit diesen Fesseln wird Leipzig die Bayern nie entthronen können. Das Andersmachen stößt an seine Grenzen.

Zuallererst bräuchte RB die strahlende und starke Trainerfigur. Marco Rose, davongelaufen in Gladbach, nie angekommen in Dortmund, wird nicht gut genug sein, um Leipzig über seine Grenzen hinauszuführen. Es bräuchte schon einen Tuchel. Mindestens.

Guenter.Klein@ovb.net

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