München – Die Rechnung des verlorenen Meisterschaftsfinales 2022 kann der EHC München in einem normalen Ligaspiel nicht ausgleichen – doch seiner Seele tat er etwas Gutes: Das erste Treffen mit den Eisbären Berlin seit der Playoff-Serie im Mai ging an den Vizemeister. Beim 4:1 (1:0, 1:0, 2:1)-Sieg am Mittwochabend in der Olympia-Eishalle zeigten die Münchner, dass sie in dieser Saison gute Chancen haben, die Hierarchie unter den Großclubs der Deutschen Eishockey Liga (DEL) zu ihren Gunsten zu verändern. Denn Berlin ist aus der Spur geraten.
„Wir haben mehr zugeschaut als teilgenommen“, war Eisbären-Stürmerstar Marcel Noebels nach dem ersten Drittel angesäuert. Er bezog sich auf das frühe erste Gegentor in der 3. Minute, Die Berliner standen Spalier, als der kleine Münchner Austin Ortega von „Coast zu coast“ skatete und aus ungestörtem Lauf den Puck an Eisbären-Tormann Ancicka vorbei ins Netz schlenzen durfte. Als Weckruf verstand das Meister-Team diese Aktion noch nicht, in der 7. Minute kassierte es einen zweiten Treffer, den die Schiedsrichter zunächst gaben, nach Videostudium aber zurücknahmen. Eine strittige Entscheidung, die dem Gast erlaubte, dass er die ersten 20 Minuten mit einem schmeichelhaften Ergebnis überstand.
Im zweiten Drittel kamen die Berliner „allmählich ins Spiel, weil wir die Zweikämpfe annehmen“, wie ihr Verteidiger Erik Mik befand. Doch dann ging den Eisbären ihr Alleinstellungsmerkmal in der DEL verloren. Sie waren das einzige Team mit makellosem Unterzahlspiel gewesen, hatten drei Matches lang jegliches gegnerische Powerplay weggekillt. Bis sie mit einem Mann weniger in der 30. Minute ausgespielt wurden. Tiffels holte die Scheibe, passte sie zu Redmond, dessen Schuss Ben Street ins Tor ablenkte – 2:0. Eine Demonstration Münchner Entschlossenheit und Spielkunst. Der EHC hatte auch wieder mehr Substanz im Kader als zuletzt. Der NHL-erfahrene Mittelstürmer Ben Smith musste bei seinem DEL-Saisondebüt nach Verletzungspause in der nominell vierten Reihe einsteigen. „Es gab keinen Druck, dass ich schnell wieder dabei war. Ich konnte warten, bis ich bei 100 Prozent bin.“
Am besondersten war die Partie natürlich für Mathias Niederberger, den als zweimaligen Meister von Berlin nach München gewechselten Torhüter, der im Schlussdrittel doch noch gefordert wurde, Ex-Mitspieler Noebels konnte ihn zum 1:2 überwinden (47.), bei einem Pfostenschuss von Fiore (49.) hatte er Glück. Maxi Kastners 3:1 (49.) verschaffte dem EHC Erleichterung, dann war Rückkehrer Ben Smith mit dem 4:1 dran (59.).
Mit 12 Punkten steht der EHC nach fünf Spieltagen blendend da, hat nur das Mal-wieder-Überraschungsteam Bremerhaven vor sich. Ernüchternd ist jedoch diese Zahl: Nur 3048 Zuschauende in der Halle – das ist auch unter den Umständen eines ungünstigen Wochentags und der Wiesn-Zeit ein Armutszeugnis für einen marketingstarken Club. GÜNTER KLEIN