„Ich befürchte, dass nach der WM alles schlechter wird“

von Redaktion

Arbeiter aus Katar touren durch Deutschland und berichten von ihren Erfahrungen

VON NICO-MARIUS SCHMITZ

München – In einem kleinen Büro an der Westendstraße in München sitzen Malcolm Bidali, Krishna Shrestha und Jeevan Taramu. Shrestha und Taramu heißen eigentlich anders, wenn Fotos gemacht werden, vermummen sie sich mit Maske und Sonnenbrille. Die beiden Nepalesen arbeiten in Katar und wollen auch zurückkehren. Sie fürchten, bestraft zu werden, sollten sie erkannt werden.

Trotzdem touren sie aktuell mit der Rosa Luxemburg Stiftung durch Deutschland, um auf die schlimme Situation von Gastarbeitern in Katar aufmerksam zu machen. „Niemand wird bedroht, niemand muss sich unsicher fühlen“, sagte Nasser Al-Khater, Chef der Wüsten-WM. Malcolm Bidali hat da andere Erfahrungen gemacht. Der 29-Jährige arbeitete als Wachmann in Katar, schrieb nebenbei kritische Artikel. Bidali wurde verhaftet, war zunächst in Isolationshaft. „Sie haben die Temperatur so reguliert, dass ich entweder geschwitzt oder gefroren habe. Das Licht wurde nicht ausgemacht. Ich habe die Orientierung verloren, ob es Tag oder Nacht ist.“ Nach einem Monat wurde Bidali auf Drängen von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International freigelassen. Der Kenianer gründete anschließend die Organisation „Migrant Defenders“.

Arbeiter, die acht Monate nicht bezahlt werden, Arbeiter, die sich zu Hunderten eine Küche teilen, kein ausreichendes Trinkwasser beim stundenlangen Schuften in der Hitze, keine zuverlässige Versorgung bei Verletzungen. Das Trio bestätigt die Berichte, die besonders seit der WM-Vergabe nach Katar die unwürdigen Bedingungen für migrantische Arbeiter im Wüstenstaat anprangern.

15 000 Arbeiter seien seit der Vergabe verstorben, heißt es. Verbände wie die FIFA und Vereine, die von Katar gesponsort werden, pochen immer wieder darauf, dass Verbesserungen eintreten. „Durch die WM und das Engagement des FC Bayern in der Golfregion werden die Arbeitsbedingungen besser werden und nicht schlechter“, sagte zuletzt Uli Hoeneß. „Das ist einfach komplett falsch, so was zu behaupten. Ich weiß gar nicht, was ich dazu noch sagen soll“, sagt Bidali. In den letzten zwölf Jahren habe es drei, vier Reformen gegeben, von denen die Hälfte keine Wirkung gezeigt habe.

Shrestha führte aus, dass es für Arbeiter, die auf WM-Baustellen schuften, minimale Verbesserungen gegeben habe. Die Wohn- und Arbeitsbedingungen seien aber trotzdem weiterhin miserabel. Zudem arbeitet nur ein Bruchteil der rund 1,8 Millionen Gastarbeiter auf WM-Baustellen.

Das Thema beschäftigt auch die Münchner Politik. DIE LINKE hatte am Dienstag zum Austausch „Menschenrechte in Katar und der Fußball“ ins Rathaus eingeladen. Bis auf zwei Vertreter der Grünen und Tobias Ruff von der ÖPD blieben die anderen Parteien dem Treffen fern. Thomas Lechner, der auch im Sportausschuss sitzt, sagte: „Wir können Bayern nicht nur als Sportverein sehen, da steckt ein Unternehmen dahinter.“

Die Partei stört sich unter anderem daran, dass das Münchner Kindl, das offizielle Stadtwappen, auf dem Auswärtstrikot des FC Bayern zu sehen ist und sich somit in unmittelbarer Nähe des „Qatar Airways“ Aufdrucks befindet. Man will sich dafür einsetzen, dass das Logo wieder entfernt wird, und sucht hier die Unterstützung von anderen Stadtratsfraktionen. Oberbürgermeister Dieter Reiter sagte auf Nachfrage unserer Zeitung: „Der FC Bayern ist weltbekannter Imageträger der Stadt München. Ich freue mich, dass der Verein das Stadtwappen auf seinem Trikot trägt.“

Shrestha ist selbst Fußball-Fan und erhofft sich mehr Unterstützung von den Vereinen: „Bayern ist nicht einfach nur ein Sportverein. Sie haben eine soziale Verantwortung und könnten viel mehr tun.“ Bidali sagt: „Die ganzen Instagram-Posts und Kapitänsbinden helfen am Ende nicht. Man muss Druck auf die Regierung ausüben. Vereine wie Bayern haben viel mehr Power als wir. Wir können einfach nur von unseren Erfahrungen berichte. Auch der Fußball muss mehr Verantwortung übernehmen und sich mit dem Leiden der Arbeiter beschäftigen.“ Er hofft so sehr, dass er falschliegt, sagt Bidali: „Aber ich befürchte, dass nach der WM alles schlimmer wird als zuvor.“

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