Schlimmer geht immer

von Redaktion

Seit vier Spielen warten die Bayern auf einen Sieg – 2001/02 waren es sieben: Ein Rückblick

München – Es ist ein Jammer, dass Ottmar Hitzfeld selbst schweigt. Natürlich erinnert sich der 73-Jährige gut an die schwere Phase, die er zwischen November 2001 und Februar 2002 als Trainer des FC Bayern durchmachen musste. Aber darüber sprechen, nein, das möchte er nicht. Generell hat er sich zurückgezogen in Lörrach, er genießt das ruhige Leben. Interviews, und das sei ihm auch vergönnt, stören das idyllische Leben im Schwarzwald. Also muss halt der Blick in die Archive reichen, um die letzte Sieglos-Serie des auch aktuell seit vier Spielen auf einen Erfolg wartenden FC Bayern zu rekonstruieren.

1:1 gegen Gladbach, 1:1 bei Union Berlin, 2:2 gegen Stuttgart und 0:1 in Augsburg – nur drei Punkte haben die Bayern heuer an den Spieltagen vier bis sieben sammeln können. Vor 21 Jahren sah es da sogar noch schlimmer aus. Nach Niederlagen in Bremen (0:1) und bei Hertha BSC (2:1) sowie Unentschieden gegen Nürnberg (0:0) und Wolfsburg (3:3) standen aus vier Spielen nur zwei Punkte zu Buche – und Hitzfeld schon da mächtig unter Druck. Zwar sprach der Coach noch von „einem kleinen Tief“ und zeigte sich mit Blick auf die Konkurrenz optimistisch: „Die anderen rutschen auch noch aus.“ Dennoch war ihm bewusst, dass es ungemütlich werden würde, wenn Sieglos-Spiele Nummer fünf, sechs und sieben folgen.

Am Wochenende danach – 15. Dezember 2001 – stand die Reise nach Rostock an, Ergebnis: 0:1, Schlagzeile unserer Zeitung: „Keine Hiebe vor Weihnachten.“ Uli Hoeneß betonte: „Das Team spielt nicht schlecht, ihm fehlt aber das nötige Quäntchen Kraft.“ Hitzfeld hingegen gab zu, dass man dem Druck aktuell nicht standhalten könne. Schon drei Tage später gastierte Gladbach im Münchner Olympiastadion, Hitzfelds Parole: „Geduld behalten, Nerven bewahren.“ Zerfallserscheinungen, betonte er, sehe er noch nicht. Nun ja.

Gegen Gladbach kamen Stefan Effenberg, Oliver Kahn und Co. nicht über ein 0:0 heraus. Präsident Franz Beckenbauer verschwand schimpfend in den Katakomben – und wurde zitiert mit den Worten: „Warum sollten wir auch plötzlich eine blühende Mannschaft haben? Zum Glück ist bald Weihnachten!“ Damals wurde die zuvor längste Sieglos-Serie herangezogen, 1994 unter Giovanni Trapattoni. Statt einer Trainerdiskussion aber gab es Durchhalteparolen. Man war froh, dass die Winterpause anstand. Und Uli Hoeneß stellte trotz Platz fünf und fünf Punkten Rückstand auf Leverkusen klar: „Der FC Bayern wird immer um die Meisterschaft spielen – egal, wie viele Punkte irgendwer Vorsprung hat.“

Der Vorsprung wurde im Januar noch größer – es folgte der Tiefpunkt. 1:5 auf Schalke, zu lesen: „Der Meister schämt sich.“ Hoeneß kündigte an nachzudenken, Karl-Heinz Rummenigge wurde laut – und sogar Hitzfeld stellte klar: „Es gibt jetzt nur noch Endspiele.“ Im Fokus der Kritik allerdings stand die Mannschaft, nie der Trainer. Warum es besser werden sollte, wurde Giovane Elber gefragt. Antwort: „Weil wir sonst vom Franz auf die Fresse kriegen!“

Das wollte niemand. Daher: Befreiungsschlag am 4. Februar – ausgerechnet in Leverkusen. Wie passend, dass morgen Bayer in der Allianz Arena gastiert. Ein Sieg – und Julian Nagelsmann könnte man sich die anstrengenden Wochen, die Hitzfeld zwischen Sieglos-Spiel Nummer fünf und sieben erlebt hat, ersparen. HANNA RAIF

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