München – Der Mund war es nicht, das wollte Leon Goretzka doch noch mal extra betonen. „Ich habe ihn auf die Wange geküsst“, erzählte der Nationalspieler zu jener Szene, die sich am Dienstagabend sechs Minuten und 16 Sekunden nach Anpfiff ereignet hatte. Goretzka wollte, als Leroy Sané den Führungstreffer beim 5:0 gegen Pilsen erzielt hatte, seinen Dank für den Dosenöffner im Bayern-Spiel halt auf besondere Weise ausdrücken. Und er ist sich sicher: „Das Küsschen war bestimmt der Grund, warum er noch ein zweites Tor gemacht hat. Weil er noch ein zweites haben wollte.“
Ein Jammer, dass man Leroy Sané dazu nicht selbst befragen konnte. Aber der 26-Jährige hat seine wortlosen Abgänge aus der Allianz Arena in den vergangenen Wochen einfach perfektioniert. Schon am Freitag, nach dem 4:0 gegen Leverkusen, schlenderte er auf einer Butterbreze kauend durch die Katakomben und verweigerte jede Aussage. Am Dienstag – obwohl er doppelt getroffen hatte – dasselbe Spiel. Und so mussten halt doch wieder die anderen über ihn sprechen – oder anders gesagt: ihn in den höchsten Tönen loben.
„Er präsentiert sich seit Wochen gut. Ich denke, dass er verstanden hat, was wir und die Zuschauer von ihm verlangen – und an ihm lieben“, sagte Hasan Salihamidzic. Das sind vor allem Offensivaktionen, in der Champions League steht Sané bei 17 Torbeteiligungen aus den letzten 13 Spielen. Es sind aber auch defensive Läufe wie etwa jener, bei dem er gegen Pilsen schon in der 26. Minute Extra-Applaus bekam. Der Sportvorstand ist sich sicher: „Wenn er mit verteidigt und nach vorne seine Stärken ausspielt, kann er einer der besten Spieler überhaupt werden.“
Es ist auch für die Verantwortlichen nicht ganz leicht, einen Hochbegabten in den eigenen Reihen zu haben, der sein Können immer mal wieder aufflammen lässt, selten aber konstant zeigt. Es wurden viele Gespräche geführt, ab und an geschwiegen, der richtige Ton gesucht. Sané, sagte Julian Nagelsmann nach dem erneuten Gala-Auftritt, könne „jeder Mannschaft der Welt das i-Tüpfelchen geben“. Er hat ihn aber auch in Phasen stützen müssen, in denen er unter seinen Möglichkeiten blieb. Bewusst, führte der Coach aus, habe er Sané in der Rückrunde der letzten Saison spielen lassen, „weil ich das Gefühl habe, dass er mir das Vertrauen zurückzahlt“. Wenn auch mit etwas Verzögerung.
Die vier Königsklassen-Tore der laufenden Spielzeit sprechen Bände. Und obwohl neben ihm der zuletzt kriselnde Serge Gnabry traf und auch Sadio Mané wieder erfolgreich war, war Sané Mann des Abends. Salihamidzic schickte einen Gruß durch die Katakomben: „Ich kann nur hoffen, dass es so bleibt und auch bei der WM so sein wird.“ Denn dann sei Sané „ohne Grenze“. Und Goretzka käme aus dem Busseln gar nicht mehr raus. hlr, bok