„Wer im Kopf nicht bereit ist, hat keinen Erfolg

von Redaktion

Trainer Dan Lorang über Schützling Anne Haug, Kristian Blummenfelt und die Herausforderung Triathlon

Dan Lorang, 43, ist einer der erfolgreichsten Trainer im Triathlon. Er betreut seit einem Jahrzehnt Jan Froden als auch Titelverteidigerin Anne Haug. Von 2013 bis 2016 war der Luxemburger Bundestrainer bei der Deutschen Triathlon-Union, ehe er als Trainer im deutschen Profi-Radteam Bora-hansgrohe einstieg, wo er als „Head of Performance“ seine Haupttätigkeit ausübt.

Finden Sie es gut, dass erstmals in der Geschichte der Start der Frauen zwei Tage vorgezogen wurde?

Eher nicht. Für mich hatte es schon seinen Reiz, dass alle an einem Tag gestartet sind. Profis und Amateure, Frauen und Männer. Man muss mal abwarten, ob die Frauen in ihrem Einzelrennen jetzt am Donnerstag wirklich mehr Aufmerksamkeit generieren. Jetzt ist das schwer abzuschätzen. Wenn wirklich Zahlen wie Einschaltquoten vorliegen, lasse ich mich gerne belehren.

Anne Haug startet als Titelverteidigerin. Was ist von ihr zu erwarten?

Ich kann auf jeden Fall sagen, dass sie körperlich und mental gut drauf ist, auch wenn es bei der Leistungsdichte extrem schwer sein wird, dieses Rennen noch einmal zu gewinnen. Sie ist bereit, alles zu riskieren. Anne hat dafür in der Vorbereitung alles gegeben.

Ist ihre Erfahrung ein Vorteil?

Sie ist 2018 Dritte geworden und hat 2019 gewonnen: Sie weiß auf jeden Fall, wie es geht, um aufs Podium zu kommen. Mit den extremen Bedingungen kommt sie gut zurecht, weil sie ist eben recht klein und leicht ist, was ihr bei der Aerodynamik auf dem Rad und beim Laufen hilft.

Wie oft sehen Sie eigentlich Ihre Triathleten?

Eigentlich kaum, das ist auch der große Nachteil unserer Zusammenarbeit. Ich habe Anne das letzte Mal beim Challenge Roth gesehen, vorher aber auch extrem selten. Wir schreiben, wir telefonieren, wir skypen – ich kann aus ihren Rückmeldungen durch unsere lange Zusammenarbeit viel herauslesen. Sobald die Athleten nach Hause kommen, laden sie ihr Training hoch: Ich sehe jede Wattzahl, jeden Kilometer, jeden Pulsschlag. Sie haben von mir einen Plan, der zu absolvieren ist – und der wird auch zu 99 Prozent erfüllt. Diese Daten werte ich aus und gebe Feedback, das ist natürlich alles in ein Team eingebettet. Ich kann ja kein Techniktraining beim Schwimmen machen.

Wie viel ist bei einem Ironman denn Mentalität und wie viel Training?

Die Basis ist das Training. Wer seine Arbeit nicht macht, kann auch über den Kopf nicht genug abrufen. Nur es gibt mittlerweile sehr viele, die wissen, was zu tun ist. Und das lässt sich im Wettkampf über den Kopf schon etwas rausholen. Die Mentalität ist bei einem Ironman sehr wichtig, weil ja schon die Vorbereitung extrem herausfordernd ist. Man muss den Triathlon lieben: Wer im Kopf nicht klar und bereit ist, wird in dieser Sportart keinen Erfolg haben.

Im Schwimmen kann man einen Ironman nicht gewinnen. Auf dem Rad fährt kaum jemand mehr alles in Grund und Boden. Also entscheidet der Marathon. Stimmt der Trend?

Man hat jetzt mehr Wissen als früher, kann jederzeit auf seinen Wattmesser schauen. Wer einst einem Norman Stadler auf dem Rad zehn Kilometer hinterherjagte, ist bald darauf explodiert. Das riskiert keiner mehr. Auf dem Rad wird deshalb mehr taktiert als früher; man sieht oft gar nicht die Leistung, die möglich wäre, weil jeder sich über die Folgen fürs Laufen im Klaren ist. Ich erwarte weder bei den Frauen noch den Männern, dass beim Radfahren jemand richtig weit rausbricht.

Können Sebastian Kienle oder Patrick Lange die deutsche Siegesserie seit 2014 verlängern oder gibt es die Wachablösung durch die Norweger Kristin Blummenfelt oder Gustav Iden?

Die Norweger haben faszinierende Leistungen abgeliefert. Ich kenne die beiden Jungs. Wenn keiner von den krank wird, stürzt oder einen Platten hat, wird es extrem schwer, sie zu schlagen.

Blummenfelt will nicht nur auf Hawaii, sondern auch noch bei den Olympia 2024 in Paris auf der Kurzstrecke gewinnen. Viele reden von einem norwegischen Ausdauerwunder, weil auch Langläufer oder Läufer Weltspitze sind. Erkennen Sie dahinter eine Systematik?

Es muss eine übergreifende Erklärung geben, weil sich die Dominanz eines kleinen Landes über mehrere Sportarten zieht. Ich weiß, dass sich die einzelnen norwegischen Sportverbände sehr stark austauschen. Dort sind sportartenübergreifende Konzepte entwickelt worden, bei denen das Wissen ständig geteilt wird. Was da jetzt herauskommt, ist kein Zufallsprodukt.

Interview: Frank Hellmann

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