Mit Legende Frank Shorter auf Bestzeitjagd

von Redaktion

München Marathon wird zum Eliterennen – Olympiasieger von 1972 erzählt seine Geschichte

VON GÜNTER KLEIN

München – Und da ist er noch einmal zurück, spät in seinem großen Jubiläumsjahr: der olympische Sommer 1972. Frank Shorter, der 1947 in München als Sohn eines Militärarztes geborene US-Amerikaner, besucht gerade die Stadt seines größten Erfolgs: Er wurde Olympiasieger im Marathon. Und er hat viele Geschichten dabei. Traurige, freudige.

Das Attentat auf die israelische Mannschaft erlebte er sozusagen live mit: Damit Zimmergefährte Dave Wottle, Olympiasieger über 800 Meter, seine frischvermählte Frau empfangen konnte, „zog ich mit meiner Matratze auf den Balkon. Dort hörte ich die Schüsse“. Das Dorf fühlte sich am 5. September ’72 an „wie der Dschungel, nachdem das Raubtier durchgezogen war: still, leer“. Das US-Team habe abreisen wollen, die Entscheidung, dass Shorter bleiben und sein Marathon-Startrecht wahrnehmen würde, fiel auf dem Rückweg von der Gedenkfeier – „an genau dem Punkt, an dem nun das Denkmal für die Opfer steht“. Shorter beschloss, jeglichen Gedanken an das Attentat bis zum Ende der Spiele auszublenden, „die Terroristen sollten nicht gewinnen“.

Auf den 42,195 Kilometern spielte er seine schlaue Taktik aus. Shorter, damals 24 und „keiner, auf den man so sehr achtete“, lief das Rennen, „als wäre es auf der Bahn“. Mit Tempowechseln sprengte er das Feld, stob bei Kilometer 15 davon und nutzte es aus, dass der Kurs der Silhouette des Olympia-Maskottchens „Waldi“ nachempfunden war: „Viele Kurven, keine langen Geraden, die Verfolger konnten mich nicht mehr sehen.“ Er gewann in 2:12 Stunden. Und ist bis heute der einzige amerikanische Marathon-Olympiasieger bei den Männern. Eine Legende. Man sagt, er sei wesentlich an der Auslösung des weltweiten Laufbooms beteiligt gewesen.

In München ist Shorter, 74, wegen des Marathons (Sonntag, 9 Uhr). Der orientiert sich dank der Förderung durch seinen Namenssponsor, die Versicherung Generali, Richtung Eliterennen. „Wir wollen die Streckenrekorde brechen“, sagt Gernot Weigl, seit über 20 Jahren der Organisator. Die 2:32 bei den Frauen werden sicher fallen, Favoritin Mare Dibaba aus Kenia, Weltmeisterin von 2015, hat eine Bestzeit unter 2:20. Bei den Männern peilt Tsegaye Mekonnen, dessen Junioren-Weltrekord von 2014 (2:04:32) noch immer Bestand hat, eine Topzeit an: „Es könnte Richtung 2:06 gehen“, sagt der Äthiopier. Vor 22 Jahren wurde in München mal knapp unter 2:10 Stunden gelaufen. Die Athleten hat Christoph Kopp besorgt, der auch das Teilnehmerfeld des Berlin Marathon auf die Beine stellte. Er bringt eine Gruppe von Tempomachern mit und kündigt an: „Ich werde vorne auf dem Motorrad darauf achten, dass wir keine Solodinger, sondern gute Zusammenarbeit haben. Die Gruppe lebt voneinander.“

Star aber wird Frank Shorter sein, dem Gernot Weigl einen Trachtenjanker schenkte. Und ja, Shorter wird selbst starten, mit Dieter Baumann auf der 10-km-Strecke. Mit Gehpausen wegen der Hüften. Legenden müssen nichts mehr beweisen.

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