Wenn Karl-Heinz Rummenigge vor einem Spiel spricht und Uli Hoeneß danach, darf man sich schon an die guten alten Zeiten erinnert fühlen. Es gehörte da ja fast zum täglichen Geschäft, dass einer der beiden Bayern-Macher relativiert oder gar revidiert hat, was der andere zuvor gesagt hatte. Dieses 2:2 im Topspiel gegen den BVB wurde nun von Rummenigges „Trainertalent“-Bezeichnung eingeleitet – und abgeschlossen mit Hoeneß’ Worten: „Für eine Trainerdiskussion ist überhaupt kein Grund vorhanden.“ Julian Nagelsmann steht im Fokus, da sind sich die Granden immerhin einig.
Man hatte sich in München in diesem Prestigeduell der Freiburg-und-Union-Jäger ein echtes Statement erhofft. Weil dieses aber ausgeblieben ist, wird die Frage nach dem Warum auch die nächsten Englischen Wochen begleiten. Bis zu jenem Tag, an dem der FC Bayern den Sprung auf Platz eins schafft, werden Ursachen für Leistungsschwankungen, mangelndes Selbstvertrauen und Einbrüche gesucht – und der Trainer stets seinen Kopf hinhalten müssen. Dieses Geschäft ist nicht immer fair, aber nur logisch. Der Chef haftet für die Mitarbeiter, selbst wenn diese individuelle Fehler machen.
Dass Nagelsmann die beim Rekordmeister greifenden Mechanismen in den vergangenen Wochen deutlich besser verstanden hat, zeigte sein Auftritt nach Spielende. Natürlich wurmt es den jungen Trainer, wenn er als „Lehrling“, „Azubi“ oder „Talent“ bezeichnet wird, er sagte genervt: „In meinen Augen sagen das zu viele.“ Er weiß Stimmen wie diese aber inzwischen einzuordnen, bisweilen auszublenden und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Ein Lerneffekt aus der jüngsten Krise.
Den Trainerjob in München kann man an keinem Standort simulieren, man muss ihn spüren. Daran sind in der Vergangenheit aber nicht nur junge, sondern auch gestandene Herren wie etwa Carlo Ancelotti gescheitert. Nagelsmann auf sein Alter zu reduzieren, hat daher wenig Sinn. Vielmehr interessiert, wie er mit dem umgeht, was Rummenigge, Hoeneß und jedem anderen auffällt: „Das ist im Moment nicht bayern-like.“ Das – so lehrt die Geschichte – kann Trainer-Talenten wie -Legenden auf die Füße fallen. Manchen früher, manchen später.
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