Dortmund – Nur ein einziges Mal flammte während der umfangreichen Spielanalyse in Leon Goretzkas Gesicht ein Lächeln auf. Denn die Freude, als ehemaliger Schalker vor der Dortmunder Südtribüne ein Tor zu schießen, konnte selbst der späte Ausgleich im Topspiel nicht trüben. „Natürlich“, sagte der Nationalspieler, „hat es mir großen Spaß gemacht, hier zu treffen. Da mache ich kein Geheimnis draus.“ Schon immer – also zwischen 2013 und 2018 mit Königsblau und seitdem im Trikot des FC Bayern – sei die Partie im Signal Iduna Park „das geilste Auswärtsspiel der Saison“. Diesmal zwischenzeitlich gekrönt mit dem „geilen Gefühl“, jubelnd in die schwarz-gelbe Kurve zu laufen.
Goretzka hätte der absolute Held dieses Abends sein können, wären die Bayern am Ende dieses 2:2 nicht eingebrochen. Denn er hatte nicht nur den Führungstreffer besorgt, sondern sich auch darüber hinaus mit einem couragierten, selbstbewussten und starken Auftritt auf der Sechs abgehoben. Der Grad zur Übermotivation ist schmal in solchen Spielen, Goretzka war hart und bestimmt, immer im Zentrum des Geschehens, aber auch meist fair. Er verteilte Ansagen an seinen Ex-Kollegen Niklas Süle, diskutierte, rannte, grätschte. Die Bezeichnung „Aggressiv-Leader“ lehnte er nicht ab, sondern erklärte: „Ich glaube, das ist etwas, das ich mir schon länger auf die Brust schreiben kann.“ Wenn er sich fit fühlt wie aktuell, „ist meist auch meine Leistung ordentlich“. Im Konkurrenzkampf im Zentrum war der Auftritt ein klares Statement – und der erste Liga-Treffer seit April ein Lichtblick an diesem Tag, an dem bei den Bayern die Frustration überwog.
Es fiel schwer, das Positive zu sehen, dabei hatte es in diesen wilden 90 Minuten ja nicht nur Schlechtes gegeben. Goretzka war da ein Beispiel, ein weiteres lieferte Leroy Sané. Das Tor zum 2:0 war bereits das vierte aus den vergangenen drei Spielen für den Dauerbrenner in der Münchner Offensive. In drei Partien hintereinander hat der 26-Jährige im Bayern-Trikot noch nie getroffen. Die Worte, die der – diesmal übrigens wegen Grippe absente – Sportvorstand Hasan Salihamidzic gesprochen hatte („nach oben keine Grenzen“), passten über weite Strecken der Partie erneut. Dass Sané in deutlich besserer Form ist als Serge Gnabry, der zur Halbzeit Platz machen musste, ist mehr als offensichtlich.
Fast untergegangen wäre die Leistung von Jamal Musiala, der Dortmund erneut mit zwei Assists im Gepäck verließ. Auf insgesamt 14 Torbeteiligungen kommt der 19-Jährige in der laufenden Saison, schon jetzt sind das mehr als in jeder anderen Spielzeit seit seinem Wechsel im Jahr 2019. Dass darüber gar nicht geredet wurde, war der Dramaturgie der Partie geschuldet. Goretzka sagte treffend: „Du kannst halt sagen, dass wir den Gegner zwischendurch dominiert haben – aber davon können wir uns auch nichts kaufen.“ hlr