Chengdu/Köln – Mit Überraschungs-Silber hat eine neue Generation deutscher Tischtennis-Asse bei der Mannschafts-WM im chinesischen Chengdu Ängste vor einem Loch nach dem absehbaren Ende der Ära Timo Boll eindrucksvoll zerstreut. Nach einem imponierenden Siegeszug ohne die Topspieler der vergangenen Jahre trägt die Silbermedaille für Europameister Dang Qiu & Co. nach einem trotz aller Deutlichkeit verkraftbaren 0:3 im Männer-Finale gegen den übermächtigen Seriensieger China einen goldenen Schimmer.
„Es ist Schlusstag einer WM, und Deutschland ist noch dabei. Das haben uns viele, viele nicht zugetraut, deshalb sollen die Jungs das genießen“, hatte Bundestrainer Jörg Roßkopf nach einer erneut erfolgreichen Aufholjagd im Halbfinale gegen Südkorea (3:2 nach 1:2) gesagt und sein Team damit auf das Finale eingestimmt.
In der Neuauflage der Endspiele der vorherigen WM 2018 in Schweden und Olympia 2021 in Tokio konnte sich Roßkopfs Team, in dem neben Qiu auch sein Düsseldorfer Klubkollege Kay Stumper und Benedikt Duda erstmals ein WM-Finale bestritten, kaum an der Endspiel-Atmosphäre erfreuen. Doch hatten auch Boll sowie Dimitrij Ovtcharov und Patrick Franziska, die Roßkopf für die WM pausieren ließ, in ihren früheren Finalduellen mit den „chinesischen Drachen“ kaum jemals eine realistische Siegchance.
Verspielte Titelgelegenheit hin oder her – Roßkopfs Risiko bei der Nominierung zahlte sich aus und könnte zumindest in Zukunft buchstäblich noch Gold wert sein. Man müsse jungen Spielern „frühzeitig Verantwortung übertragen, denn sie müssen rechtzeitig lernen, mit Drucksituationen umzugehen“, begründete Roßkopf seine Personalrochaden.
Weil die Mannschaft seines Vertrauens wie schon beim EM-Triumph 2021 – ebenfalls ohne die Boll und Ovtcharov – lieferte und die deutschen Frauen Bronze gewannen, gelang dem Deutschen Tischtennis-Bund (DTTB) in Chengdu ein Erfolg mit Seltenheitswert: In der 96-jährigen WM-Historie standen erst zum dritten Mal nach 1997 und 2010 beide DTTB-Teams auf dem Podium. sid