München – Er ist einer der großen Titelsammler in Europas Basketball. Zuletzt gewann Sergio Scariolo mit Spaniens Nationalteam die EM in Deutschland. Am Donnerstag (20.30 Uhr) trifft der 61-Jährige Italiener in seinem Zweitjob bei Virtus Bologna auf den FC Bayern.
Herr Scariolo, für viele sind Sie der Mann der Deutschland bei der EM stoppte. Wie klingt das für Sie?
(lacht) Ach, das ist immer noch ein Teamsport, in dem es menschliche Faktoren gibt, die Spiele entscheiden. Gegen Deutschland war eher Alberto Diaz so ein Faktor, mit dem normalerweise niemand gerechnet hat. Ihn würde ich eher nennen.
Aber Sie sind der Baumeister, der seine Erfolge nun auch nach Bologna bringen soll. Kann ein Trainer vermitteln, ein Champion zu sein?
Du kannst an den Details feilen und eine Mannschaft an den richtigen Stellen besser machen. Zum Champion muss sie wachsen.
Als Nationaltrainer in Spanien arbeiten Sie mit Spielern, die in einem festen System mit einheitlicher Basketball-Philosophie groß geworden sind. Macht das die Arbeit leichter als in einem Verein?
Zumindest profitieren wir in Spanien sehr davon. Im Verein hast du das Problem, dass du viel weniger Zeit hast, ein Team zu bauen. In Bologna haben wir das am ersten Spieltag der Euroleague zu spüren bekommen. Wir haben gegen ein Team gespielt, gegen Monaco, das kaum Spieler bei der EM hatte, keine Ausfälle und auch noch verstärkt wurde. Bei uns haben wichtige Leute noch gar nicht gespielt, dazu sieben Spieler, für die die Euroleague neu ist. Das merkst du dann einfach. Wir müssen noch wachsen, sie sind schon sehr weit.
Mit den Bayern treffen Sie nun auf ein Team, dem es ähnlich ergeht. Auch sie sind noch in der Entwicklung…
Sie haben auch ein bisschen gewechselt, ja. Und trotzdem sehe ich sie in der gleichen Gruppe in der auch wir sein wollen. Unter den Mannschaften, die bis zuletzt um die Playoffs spielen wollen. Sie sind immer sehr gut gebaut, sehr gut gecoacht, sehr diszipliniert. Und vor allem haben sie ein extrem hohes Potenzial bei Drei-Punkte-Würfen. Wenn du das nicht kontrollieren kannst, dann kann es unangenehm werden.
Es heißt, Sie waren 2016 einmal selbst in Kontakt mit dem FC Bayern ehe Sasa Djordjevic Trainer wurde. Stimmt das?
Es waren nur lose Gespräche. Aber es wurde nie konkret – es gab nie Verhandlungen.
Bayern erreichte zuletzt zweimal die Playoffs, als erstes deutsches Team. Ist der Club der schlafende Riese, den viele in ihm sehen?
Nun, es gibt einen großen Unterschied zu den anderen Multi-Sport-Marken wie Real Madrid, Barcelona oder Fenerbahce. Bayern will sich nicht vom großen Bruder abhängig machen. Bei den genannten Clubs kommen drei Viertel des Geldes aus dem Fußball. Bayern will auf eigenen Füßen stehen. Das ist der richtige Weg,
Aber ist es auch der erfolgreiche Weg?
Wir alle hoffen, dass die Dinge sich dahin entwickeln, dass sich der Basketball selbst finanziert. Im Moment glaube ich allerdings gibt es nach ganz vorne nur zwei Möglichkeiten: Entweder du hast einen Investor, der ein Herz für Basketball hat oder du brauchst Geld aus dem Fußball. Ich denke, im Moment sind das die einzigen Optionen.
Sie stehen noch vor einem anderen Problem. Am 11. November sind Sie als Nationaltrainer in der WM-Qualifikation gefragt, in der Sie mit Spanien ausgerechnet gegen Italien spielen. Zeitgleich wartet das Euroleague-Spiel gegen Mailand….
Man hat versucht, etwas zu verlegen. Ich weiß es nicht, aber ich denke nicht, dass es klappen wird. Ich denke wirklich, dass man sich an einen Tisch setzen und über Veränderungen sprechen muss. Aber klar ist auch: Als es vor der letzten Saison die Option gab, dass ich von Toronto nach Bologna wechsele, wusste der Club, dass ich einen Vertrag mit dem spanischen Verband habe. So wie die Raptors ihn ja auch respektiert haben. Und der Vertrag hat Vorrang wenn es Kollisionen gibt.
Mindestens bis 2024 ist das noch so. Beide Verträge laufen bis zu den Spielen in London. Welchen Titel haben Sie dann in der Tasche? Olympia-Gold oder die Euroleague?
(lacht) Ganz ehrlich: Wahrscheinlich keinen von beiden. Klar, das sind genau die beiden Titel, die mir fehlen. Aber da brauchst die entsprechenden Bedingungen, es muss alles passen. Aber wer weiß… warten wir es mal ab.
Interview: Patrick Reichelt