New York – Manchmal sind sich selbst die Beteiligten nicht sicher, was die NBA zuvorderst ist: eine Sportliga mit globaler Tragweite oder eine riesengroße Seifenoper mit Millionen-Männern in Hauptrollen. In der Nacht auf Mittwoch startet die neue Saison, die 76. der NBA-Geschichte, mit dem Duell von Vize-Meister Boston gegen Philadelphia. Zeit, um den verrückten Sommer zu rekapitulieren, der maßgeblich über den Ausgang der neuen Spielzeit entscheidet.
Episode eins: Goodbye, Wüste!
Robert Sarver hat Ziegen in den Büros seiner Mitarbeiter verteilt, er sprach vor Frauen über seine Genitalien und sein Sex-Leben, er sparte nicht mit misogynen Bemerkungen und benutzte das N-Wort. Nun wussten viele in der NBA, was für ein schrecklicher Mann der Besitzer der Phoenix Suns war. Den Aufstand (wegen geringer Erfolgsaussichten) wagte niemand, bis Journalist Baxter Holmes 2021 investigierte und Sarver in letzter Instanz zu Fall brachte.
Die Liga sperrte ihn zunächst für eine Saison. Als der öffentliche Druck zunahm, kündigte Sarver an, den Klub zu verkaufen. Dieser Prozess dürfte sich Monate hinziehen. Im Raum steht ein Preis von an die vier Milliarden Dollar, Sarver hält als Mehrheitseigner 35 Prozent. Wie die Mannschaft das wegsteckt? Ungewiss. Im Vorjahr noch der Klub mit den meisten Siegen, trudelt das Team aus der Wüste in die Krise. Stammkraft Jae Crowder will weg, weil andere mehr Spielzeit bekommen. Die Vertragsverlängerung von Center Deandre Ayton zögerte man ewig hinaus. Anführer Chris Paul ist 37 und verletzungsanfällig …
Episode zwei: Durant, Durant
Was der Mann will, bleibt ein Mysterium. Kevin Durant, einer der begabtesten Werfer der Welt, zog 2019 von Abo-Meister Golden State nach Brooklyn, um sich dort als eigene Marke zu positionieren und mit Spezl Kyrie Irving einen Titelanwärter aufzubauen. Eine Pandemie später ist Irving noch immer nicht geimpft und Kollege Durant ob des ausbleibenden Erfolgs abwanderungswillig. Im Sommer verlangte er von Joe Tsai, Besitzer der Brooklyn Nets, einen Transfer. Der blieb stur, auch weil sich kein passender Gegenwert für Kevin Durant (noch vier Jahre unter Vertrag) fand. Nun raufen sich alle Beteiligten zusammen. Wie lang das im explosiven Umfeld gut geht, kann niemand abschätzen.
Episode drei: Die Rückkehr des Roboters
Steve Ballmer liebt die Gigantomanie. Umso schmerzlicher, dass das neuste Projekt des Multi-Milliardärs nichts abwirft. Mit den Los Angeles Clippers wollte er den hippen Gegenpol zu den Lakers erschaffen. Scheiterte bislang grandios, auch weil Superstar Kawhi Leonard, der König der Erholungspausen, ständig verletzt ist. In drei Saisons hat er lediglich 109 Spiele für die Clippers absolviert, zuletzt fehlte er 18 Monate mit Kreuzbandriss. Leonard, wegen seiner emotionslosen Art Roboter genannt, kehrt zurück und katapultiert die Clippers bei den Buchmachern in Vegas in die Top Drei der Favorite´n – hinter Boston und Golden State.
Episode vier: EM-Held in der Schlangengrube
In diesem Sommer blieb’s vergleichsweise ruhig bei den Los Angeles Lakers, die die Show rund um Basketball erfunden haben. Manager Rob Pelinka versuchte vergeblich, den Kader mit großen Namen aufzumörteln. Zum Ende des Sommers kamen mit Patrick Beverly und Deutschlands EM-Held Dennis Schröder immerhin brauchbare Aufbauspieler. Superstar LeBron James gefällt das zwar alles nicht. Im Gegensatz zu früheren Stationen sind Macht und Einfluss in L.A. jedoch beschränkt. Der Rekordmeister muss kämpfen, um überhaupt in die Playoffs zu kommen.
Episode fünf: K.o. und Kumbaya
Immer wieder Draymond Green: Der wankelmütige Forward der Golden State Warriors hat sich mit Tritten, Schlägen und Trash-Talk über die Jahre eine Reputation als Störenfried erarbeitet. Green operiert stets an der Grenze, provoziert das Publikum, ist gleichzeitig aber auch Motor von Defensive wie Offensive beim Meister. Jetzt aber hat er eine neue Eskalationsstufe überschritten: Im Training streckte er Teamkollege Jordan Poole mit einem Faustschlag nieder. Ein Video gelangte an die Öffentlichkeit. Trainer Steve Kerr, der nun wirklich schon viele Brände in San Francisco löschen musste, sprach von der „größten Krise“ der Warriors. Doch wie beinahe immer bei Golden State war der Skandal schnell geklärt. Green sprach sich mit allen aus. Jordan Pool bekam seine gewünschte Vertragsverlängerung (140 Millionen Dollar für vier Jahre). Und die Warriors starten mal wieder als Favorit mit dem teuersten Kader aller Zeiten. Gehaltskosten: 372 Millionen Dollar.