München – Auf der Zielgeraden des Verfolgungswettbewerbs ist das erste Erfolgserlebnis für Benedikt Doll noch einmal in Reichweite gerückt. Doch so sehr sich der Freiburger auch mühte – Fabien Claude konnte er bei seiner Aufholjagd dann doch nicht mehr ganz erreichen. Immerhin, es blieb Platz zwei – ein Podium, das der 32-Jährige von diesem Ausflug zu den Französischen Meisterschaften mitbrachte. Und mit ihm die Erkenntnis, dass er trotz sieben Fehlern am Schießstand „nicht so schlecht“ im Rennen liegt, sechs Wochen vor dem Beginn des neuen Weltcup-Winters. Er weiß, woran er zu tüfteln hat auf dem Weg nach Kontiolahti, wo am 29. November der Winter seinen Anfang nimmt.
All diese Erkenntnisse, diese Gewissheit waren Doll wichtig gewesen. Der gerade gut zweistündige Trip von seiner Heimatstadt Freiburg nach Arcon war dafür eine willkommene Gelegenheit. Der Vergleich im Wettkampf hatte ihm in diesem Sommer gefehlt. Der Sommer-WM in Ruhpolding wie auch der Deutschen Meisterschaft war er ferngeblieben. Wobei der Grund ein erfreulicher war. Doll ist zum ersten Mal Vater geworden – Ende August brachte Ehefrau Miriam den ersten gemeinsamen Sohn zur Welt. „Das verändert dein Leben total“, sagte er, „aber es ist wunderschön.“
Zwei Wochen lang hatte sich der wohl größte Hoffnungsträger der deutschen Biathleten dafür aus dem Sport ausgeklinkt. Die kurzen Nächte inklusive. Mehr als ein Training pro Tag war in der Zeit nicht drin. „Mehr hat mein Körper nicht zugelassen“, sagte er. Klar, die Sache ist jetzt anders, Doll schläft inzwischen alleine. Das wird auch im Winter so sein, auch wenn schon Möglichkeiten jongliert werden, wie der Nachwuchs im Wohnmobil so manchen Weltcup-Tripp mitmachen könnte.
Beunruhigt hatte ihn die Auszeit nicht. Nach eineinhalb Jahrzehnten als Biathlet hat der Routinier ein gutes Gespür dafür, wo er im Sommer kürzer treten kann. Auch sein neuer Trainer Uros Velepec signalisierte ihm: Alles im grünen Bereich. Es ist der Punkt, den die meisten Athleten am routinierten Slowenen loben, auch Doll: „Er hat gute Tipps und verbreitet eine ungeheure Ruhe.“
Die Benedikt Doll braucht. Nach dem Rücktritt von Erik Lesser ist er in die erste Reihe des deutschen Teams gerückt, Wenn es darum geht, wer bei den Highlights dieses Winters wie der Heim-WM in Oberhof die deutschen Fahnen hochhalten könnte, dann steht sein Name ganz oben auf der Liste.
Wobei Doll selbst aus Oberhof am liebsten eine Staffelmedaille mitnehmen würde. Das hat wohl vor allem mit den Olympischen Spielen zu tun, wo das deutsche Quartett als Vierter Edelmetall knapp verpasst hat. „Das war schon sehr bitter“, sagte er.
Seinerzeit hatte man sich den Bronzegewinnern aus Russland um wenige Sekunden geschlagen geben müssen. Das immerhin wird sich in Oberhof auf keinen Fall wiederholen. Die Athleten aus Russland und Weißrussland sind wegen des Angriffskrieges auf die Ukraine auch im Biathlon von allen Wettbewerben ausgeschlossen. „Wenn du als Sportler jahrelang trainierst und Herzblut opferst, dann ist das natürlich hart“, findet Doll. Richtig findet er den Ausschluss gleichwohl. „Es stimmt einfach nicht, dass Sport nicht politisch ist“, sagte er, „man darf nicht zulassen, dass der Sport zur Propaganda benutzt wird.“
PATRICK REICHELT