München – Franz Klammer (68) ist mit 25 Siegen im Weltcup der erfolgreichste Abfahrer aller Zeiten und doch am meisten bekannt für ein Rennen: die Abfahrt bei den Olympischen Spielen 1976, als er mit den Erwartungen ganz Österreichs zu Gold fahren musste – und das auch schaffte. Am Freitag erscheint die Verfilmung der Olympia-Woche „Klammer – chasing the line“ in Deutschland auf Netflix. Im Gespräch mit unserer Zeitung erinnert sich der Kärntner an die Spiele in Innsbruck und blickt in den kommenden Winter.
Herr Klammer, wie ging es Ihnen, als Sie den Film das erste Mal gesehen haben?
Ja, das war schon etwas komisch. Denn es ist eine Geschichte über mich – aber ich habe wenig damit zu tun. Es ist einfach ungewohnt, sich selbst von einem Schauspieler gespielt zu sehen. Dann wiederum war ich auch sehr stolz, dass man einen Film über diese Woche von Innsbruck gemacht hat.
Eine für Sie sehr anstrengende Woche…
Ja. Vor allem weil ich im Training ja nie Bestzeit gefahren bin. Und nebenher wollte jeder dauernd etwas von mir. Es war einfach schwierig, mich zu konzentrieren.
Der Druck, der auf Ihnen lastete, war enorm. Also gar nicht so, wie man meinen könnte: früher war alles entspannter?
Nein, das glaube ich nicht. Ja es gab damals auch Druck, aber die Hektik ist heute eine andere, wir hatten mehr Ruhe. Wir konnten zum Beispiel mal ein Bierchen trinken gehen und uns hat nicht jeder mit Handys gefilmt.
Was hat sich im Skizirkus sonst geändert? Abgesehen davon, dass sich das Material entwickelt hat.
Ich glaube damals waren wir wirklich eine verschworene Gemeinschaft. Das war Kameradschaft unter den Läufern aller Nationen. Wir sind gemeinsam zu einem Rennen gefahren, dann gemeinsam zum nächsten und am Samstag haben wir dann zusammen gefeiert. Jetzt ist das nicht mehr so. Der eine fährt so hin, der andere fliegt mit einem Hubschrauber hin. Das man gemeinsam den ganzen Winter unterwegs ist, das gibt es einfach nicht mehr. Das besondere ist für mich, dass ich Freunde aus dem Skisport geholt habe, obwohl wir Gegner waren.
Etwa der Schweizer Bernhard Russi, 1976 Ihr größter Konkurrent um die Goldmedaille…
Ja, wir haben uns schon davor verstanden. Aber diese Woche hat uns zusammengeschweißt, er hat mitbekommen, was da alles abgegangen ist. Danach hat er dann sofort gratuliert und sich für mich gefreut.
Wie groß ist Ihr Interesse noch am Weltcup?
Das ist schon noch sehr da, wenn es geht schaue ich mir jedes Rennen an. Jetzt für den Auftakt am Wochenende in Sölden ist Marco Odermatt mein Favorit bei den Männern. Wenn der sich nicht wehtut, ist er das aber sicher für viele Rennen. Wir Österreicher schwächeln im Riesenslalom zurzeit, gute Abfahrer haben wir und im Slalom geht’s auch halbwegs. Ihr Deutschen habt ein bisschen Pech mit Verletzungen, Luitz und Dreßen etwa.
Jedes Jahr lebt zu Sölden die Debatte auf, ob der Auftakt nicht zu früh kommt.
Mit der Debatte müssen wir leben. Aber für die Industrie und den Fremdenverkehr ist es wichtig, dass man den Leuten zeigen kann: Es wird wieder einen Winter geben. Da hängt einfach viel dran.
Und aus Sportlersicht?
Sölden ist natürlich extrem schwierig, aus dem Training ein Rennen fahren, wenn man vielleicht noch etwas müde ist aus der Vorbereitung für den Winter.
Ähnlich dürfte es für die Abfahrerinnen und Abfahrer am Wochenende danach werden, falls es das Wetter zulässt und erstmals die neue Strecke in Zermatt gefahren wird…
Also ich hätte da sicher keinen Spaß gehabt (lacht). Das ist schon zu früh. Aber man nimmt das halt so mit als Standortbestimmung. Wenn du gewinnst, passt es, wenn du nicht gewinnst, sagst du: Okay, da habe ich noch meine Defizite, da muss ich noch dran arbeiten. Die Strecke wüsste ich sogar auswendig…
Ehrlich?
Ja, wir haben früher mit dem österreichischen Team auf derselben Strecke viel trainiert. Wir waren nicht in Zermatt, sondern in Cervinia und haben da bei der Mittelstation gewohnt. Das waren immer 14 Tage im November, wirklich ein super Training immer.
Welchem Ihrer Abfahrtsnachfolger schauen Sie aktuell am liebsten zu?
Beat Feuz. Auch wenn es natürlich eine extrem breite Spitze gibt, die alle gut anzuschauen sind beim Fahren. Vincent Kriechmayr, Matthias Mayer, Dominik Paris und natürlich Thomas Dreßen. Ich hoffe sehr, dass er wieder so gut wird, wie er war.
Interview: Thomas Jensen